Insgesamt drei Wellen der Verschleierung. | Restverluste und Kaufpreis für P.S.K. wurden de facto vom ÖGB übernommen. | Wien. Langsam lichtet sich das Dunkel um das Netzwerk an Gesellschaften und Stiftungen, die benutzt oder in manchen Fällen sogar eigens gegründet wurden, um die Karibik-Verluste der Bawag bilanzschonend zu verarbeiten.
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Um wie viele Gesellschaften und Stiftungen es sich insgesamt handelt (in manchen Medien war von 60 bis 70 die Rede), kann derzeit niemand seriös beantworten. Seitens der Finanzmarktaufsicht heißt es dazu: "Jeder, der behauptet, die Struktur völlig zu durchschauen, lügt."
Einige Dinge gehen aber aus den Aussagen von Ex-Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner und Investmentbanker Wolfgang Flöttl gegenüber der Staatsanwaltschaft hervor. Demnach wurden die Verluste aus der Karibik als Schuldverschreibungen an Gesellschaften verkauft, die entweder im Umfeld von Bawag und ÖGB eigens dafür gegründet wurden oder Wolfgang Flöttl zuzurechnen waren. Gleichzeitig erhielten die Gesellschaften von der Bawag Kredite, um die Schuldverschreibungen kaufen zu können. So konnten Verluste als werthaltige Forderungen in der Bilanz getarnt werden. Um die Herkunft der Geldflüsse zu verschleiern, wurden bei Überweisungen immer wieder Stiftungen zwischengeschaltet.
Stets Neugründungen
Damit noch nicht genug: Gesellschaften wurden nach einem Jahr oft aufgelöst; ihre Aktiva und Passiva in neue Gesellschaften übertragen. So entstand ein riesiges Geflecht von Gesellschaften, das von Liechtenstein über die Karibik, die Kanalinseln und Irland reichte und das die Ermittler der Finanzmarktaufsicht nun zu entwirren versuchen.
Einige Dinge kristallisieren sich allerdings bereits heraus: Den bisher bekannten drei Spekulationswellen in der Karibik, bei denen unter dem Strich ein Verlust von einer Milliarde Euro übrig blieb, folgen auch drei Wellen der Verlustverschleierung.
Im Detail sah das so aus: Die erste Welle der Karibik-Geschäfte von 1995 bis 1998 endete mit 650 Mio. Euro Verlust. Diese Verluste wurden zunächst in die drei offiziell bekannten Bawag-Fonds in Liechtenstein (Austost, Austinvest und Celeste) verschoben. Von dort ging die Reise weiter in vier weitere Stiftungen (Bensor, Treval, Biamo, Glen Star). Diese wurden zwar von der Bawag kontrolliert, die Bank schien aber nirgends auf. Von diesen Stiftungen wiederum flossen Gelder und Schuldverschreibungen an ein halbes Dutzend Gesellschaften im Umfeld von Wolfgang Flöttl.
Als das Ausmaß der Verluste 1998 klar wurde, hielt sich die Bawag bei Flöttls Vermögen schadlos. Das konfiszierte Eigentum (Gemälde, etc.) wurde von der Bawag zunächst mit 600 Mio. Euro bewertet. Wieviel die Bank beim Verkauf tatsächlich erlöste, ist nicht mehr nachvollziehbar. Schätzungen zufolge dürfte längerfristig nur etwa die Hälfte der Verluste, rund 300 Mio., wieder hereingebracht worden sein. Aus Sicht der Bawag standen aber 1998 rund 650 Mio. an Verlusten 600 Mio. an Vermögenswerten gegenüber weshalb man sich zu einem zweiten Spekulationsversuch entschloss.
Noch mehr Wellen
Diesmal veranlagte die Bawag selbst 350 Mio. Euro in der Karibik allerdings wurde sie dabei von Flöttl "beraten", wie aus den Vernehmungen hervorgeht.
Anfang 2000 war das Investment vom Totalverlust bedroht. In einer Panikreaktion wurden Veranlagungspositionen glattgestellt; mit dem Resultat, dass nur 80 bis 90 der veranlagten 350 Mio. übrig blieben. Hätte man ein paar Monate länger gewartet, wäre man mit Gewinn ausgestiegen, so Elsner laut Vernehmung.
So entschloss sich die Bawag im Jahr 2000, einen dritten Spekulationsversuch zu wagen mit den 80 bis 90 Mio. Euro, die vom zweiten Spekulationsversuch übrig waren und den Verkaufserlösen aus Flöttls Vermögen. Insgesamt wurden so noch einmal etwa 350 Mio. riskiert. Dieses Geld hätte laut Vorstandsbeschluss der Bawag nicht von Flöttl veranlagt werden sollen, sondern vom bekannten Londoner Hedge-Fonds-Manager Kave Alamuti und dessen "Optimum Asset Management". Aus irgendeinem, für die Ermittler noch nicht nachvollziehbaren Grund, landete das Geld aber wieder bei Flöttl und dessen "International Asset Management".
Schuldzuweisungen
Danach gehen die Darstellungen von Elsner und Flöttl vor der Staatsanwaltschaft auseinander. Elsner sagt, Flöttl habe die vereinbarte Anlagestrategie nicht eingehalten und auf eigene Faust das ganze Geld mit einer riskanten Yen-Spekulation verspielt. Flöttl behauptet, Elsner habe ihn gedrängt, mit mehr Risiko zu spekulieren, weil die Bawag für die P.S.K.-Übernahme dringend Geld brauche. Das Geständnis, das Flöttl später unterzeichnete (und in welchem er die Verantwortung für die Yen-Spekulation auf sich nahm) sei ihm vom damaligen Bawag-Vorstandsmitglied Peter Nakowitz vorgelegt worden. Nakowitz habe gesagt, man brauche ein entsprechendes Schreiben, falls jemand im Aufsichtsrat Fragen stelle. Ansonsten würde Flöttls Geständnis sicher in Elsners Tresor verwahrt und nie veröffentlicht werden.
Zur Verarbeitung der Verluste aus der dritten Karibik-Spekulationswelle wurde der Fonds "Liquid Opportunity" gegründet. Dieser verschob die Verluste zunächst an 15 weitere Gesellschaften, darunter jene 6 auf Anguilla, die im Zuge der Refco-Pleite öffentlich bekannt wurden. Später wurden noch weitere Gesellschaften gegründet, sodass allein zur Bewältigung der letzten 350 Mio. an Bawag-Verlusten ein Geflecht von 26 Gesellschaften herhalten musste.
<SEITENWECHSEL
ÖGB musste haften
Zu diesem Zeitpunkt Anfang 2001 machten die Wirtschaftsprüfer der Bawag klar, dass eine Bilanz nur möglich sei, wenn die Werthaltigkeit der Forderungen gegen die vielen Stiftungen und Gesellschaften von jemandem mittels Haftung garantiert werde. Dafür sprang der ÖGB ein.
Allerdings sollte die Haftung nie schlagend werden. Die Forderungen sollten langsam, über mehrere Jahre bilanzschonend abgeschrieben werden vorzugsweise dann, wenn die Bawag außerordentliche Erträge in anderen Bereichen verbuchen konnte. So wurden die Karibik-Verluste nach und nach verarbeitet; der letzte Brocken von 534 Mio. Euro bekanntlich durch diverse Aufwertungen im Zuge der Fusion von Bawag und P.S.K. im Vorjahr.
Bleibt die Frage: wenn die Karibik-Verluste in der Bawag verdaut wurden, warum musste der ÖGB im Herbst des Vorjahres noch einmal 1,5 Mrd. Euro an Bawag-Verbindlichkeiten übernehmen? Laut Bawag-Generalsekretär Thomas Heimhofer hat der ÖGB zwei Dinge übernommen: zum einen Altforderungen der P.S.K. gegen die Bawag in der Höhe von 1,5 Mrd. Euro aus dem früheren Bankgeschäft der beiden Institute vor der Fusion. Zum anderen Karibik-Wertpapiere der Bawag, die zwar mit 670 Mio. Euro bewertet waren, aber um mindestens 230 Mio. weniger wert sein dürften macht unterm Strich ein Minus von mindestens einer Milliarde für den ÖGB. Die Auslagerung an den ÖGB geschah, um die neue Bawag P.S.K. mit mehr Eigenkapital auszustatten. Ohne Auslagerung wäre von den Aufwertungen im Zuge der Fusion nichts übrig geblieben.
2001 hat die Bawag die P.S.K. um rund 1,3 Mrd. Euro übernommen. Rein rechnerisch kann man also sagen, dass der ÖGB entweder die Karibik-Verluste oder den P.S.K.-Kauf letztlich bezahlen musste. Oder auch beides zum Teil.