Handelsgericht Wien verfügte Schließung der letzten verbliebenen Filialen. Gläubigerschützer erwarten im Insolvenzverfahren eine Quote von 10 bis 20 Prozent.
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Wien. "Licht aus" hieß es dieser Tage in den letzten noch betriebenen Filialen der pleite gegangenen Zielpunkt-Kette. Für das Handelsgericht Wien, das die völlige Unternehmungsschließung verfügt hat, beginnt jetzt erst richtig die Arbeit. Das Insolvenzverfahren werde etwa zwei Jahre dauern, schätzt Christoph Vavrik, Insolvenzexperte beim Gläubigerschutzverband KSV 1870. Viel hänge davon ab, ob größere Prozesse stattfinden. Die Gläubiger der zuletzt zur oberösterreichischen Pfeiffer-Gruppe gehörenden Supermarktkette könnten nach heutiger Einschätzung mit einer Quote von 10 bis 20 Prozent rechnen. "Das ist für ein Verwertungsverfahren in dieser Größenordnung eine überdurchschnittliche Quote", betont Vavrik im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Masseverwalter Georg Freimüller hat sich in den vergangenen Monaten jedenfalls intensiv darum bemüht, für die ehemals 229 Standorte in Wien, Niederösterreich, Burgenland und der Steiermark neue Eigentümer zu finden. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat letztendlich die Übernahme von 98 Filialen geprüft. 90 davon wurden freigegeben.
Übernahmen unter Auflagen für Rewe und Spar
Rewe darf laut BWB unter "substanziellen Auflagen" 25 ehemalige Zielpunkt-Filialen übernehmen. In vier davon soll Billa oder Penny einziehen, die restlichen vier sollen Bipa-Märkte werden. Spar darf laut BWB 27 Filialen übernehmen, ebenfalls unter Einhaltung von Auflagen, damit es nicht zu einer Verschlechterung der Wettbewerbssituation kommt. Zielpunkt war zwar mit einem Marktanteil von 2,5 Prozent nur ein kleiner Player im heimischen Lebensmitteleinzelhandel, die Branche ist jedoch hoch konzentriert: Rewe, Spar und Hofer teilen sich rund 85 Prozent des Kuchens. Die Auflagen sehen vor, dass da und dort Flächen reduziert oder bisherige Filialen aufgegeben werden. Anstandslos darf hingegen Diskonter Hofer 11 Standorte übernehmen. Acht gehen an die türkische Supermarktkette Etsan, sieben an den Betreiber der "denn’s"-Biomärkte. Auch DM, Lidl, Fressnapf und Libro kommen zum Zug.
KSV1870--Experte Vavrik geht davon aus, dass rund 1000 bis 1200 der ehemaligen 2700 Zielpunkt-Beschäftigten bei den neuen Betreibern arbeiten können. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind willkommen, wird von Rewe und Spar versichert, die schon vorher Zielpunkt-Mitarbeiter einstellten.
Bisher 85 Millionen Euro Forderungen angemeldet
Nächste Woche, am 25. Februar 2016, findet am Handelsgericht Wien die Prüfungstagsatzung statt, bei der das Volumen der angemeldeten Insolvenzforderungen feststehen wird. Bis jetzt sind Forderungen in Höhe von 85 Millionen Euro zusammengekommen. Es könnten noch mehr - oder weniger - werden, je nachdem, ob Forderungen nachträglich eingebracht oder zurückgezogen werden, so Vavrik.
Die Insolvenz von Zielpunkt war Ende November des vergangenen Jahres angemeldet worden und hatte Mitarbeiter und Lieferanten kalt erwischt. So musste der oststeirische Fleischverarbeiter Schirnhofer Insolvenz anmelden. Die Mehrheit der Gläubiger akzeptierte erfreulicherweise einen Plan zur langfristigen Sanierung des Unternehmens. Das sicherte rund 200 Jobs. Der Insolvenzentgeltfonds (IEF) wickelte unterdessen die Bezahlung der ausstehenden Gehälter und Weihnachtsgelder für die Zielpunkt-Beschäftigten in Rekordzeit ab.
Die unklare Positionierung von Zielpunkt, der zu Beginn "Löwa" - nach seinem Gründer Walter Löwa - und zwischenzeitlich "Plus" hieß, verwirrte die Kunden und führte zu Millionenverlusten. Zahlreiche Eigentümer versuchten vergeblich, die Supermarktkette aus der Verlustzone zu führen, zuletzt die Pfeiffer-Gruppe, zu der auch Unimarkt und Nah & Frisch gehören.