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Kassen: Der sogenannte Arbeitgeberbeitrag

Von Jens Tschebull

Gastkommentare

Der klügste Gedanke des bisherigen Vorwahlkampfes stammt von Christoph Leitl, der die Verheißung aussprach, die Wirtschaftskammer könnte sich aus den Krankenkassen der Arbeitnehmer zurückziehen. Dort hat sie nämlich wirklich nichts verloren. Die gesetzliche Krankenversicherung der Arbeiter und Angestellten wird durch die Beiträge ihrer Zwangsmitglieder finanziert. Diese und ihre Vertreter (Betriebsrat, Gewerkschaften, Arbeiterkämmerer) sollten auch über Organisation und Leistung ihrer Kasse entscheiden.


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Der sogenannte Arbeitgeberbeitrag, der als Argument für die Mitsprache der Wirtschaftskammer verwendet wird, ist ein ganz gewöhnlicher Lohnbestandteil, der im Namen des Arbeitnehmers als Versicherungsbeitrag an die Kasse überwiesen wird.

Der Deckname "Arbeitgeberbeitrag" dient nur der Verschleierung der wahren Kosten und als Rechtfertigung für einige Vizedirektoren und andere politische Vertrauensleute auf den Gehaltslisten der Sozialversicherung.

Ehrlicher wäre es, den sogenannten Arbeitgeberbeitrag dem Lohn zuzuschlagen, wo er hingehört, und von dort als Sozialversicherungsbeitrag abzuziehen.

Damit wäre wenigstens dieser Teil der Kosten der sozialen Sicherheit offengelegt und die Versicherten hätten mehr Interesse an der effizienten Arbeit der von ihnen finanzierten Krankenkasse. Wahlkampfdummheiten von der "Gesundheit, für die nichts zu teuer sein darf" wären erschwert, und Sozialbetrug - vom vorgetäuschten Krankenstand über die Medikamentenverschwendung bis zum Verleih der E-Karte an nicht versicherte Freunde und Verwandte - würde nicht mehr als Kavaliersdelikt toleriert, sondern als Gemeinheit verurteilt. Vielleicht auch die an Untreue gemahnende Praxis der Krankenkasse, "freiwillige Leistungen" (wie Kur- und Erholungsaufenthalte) zu gewähren und munter mit Krediten zu finanzieren.

Die Versicherten könnten sich endlich von unwissend gehaltenen Bittstellern zu einer Solidargemeinschaft selbstbewusster Arbeitnehmer entwickeln, die ihre Probleme selbst löst. Die Erschließung "anderer Finanzierungsquellen" (neue Steuern) zur Rettung der Krankenkassen führt weg vom Versicherungsprinzip und hin zu einem staatlichen Gesundheitsdienst mit allen seinen Risken.

Der sogenannte Arbeitgeberbeitrag, der zur Gänze von den Versicherten selbst erarbeitet wird, und die Mitsprache der Wirtschaftskammer in den Krankenkassen der Unselbständigen sind Teile einer sozialen Tarnkappe, die den Blick auf die organisatorischen und finanziellen Probleme verstellt, für deren Lösung, wie bei jeder Versicherung, nur die Gemeinschaft der Versicherten mit ihren Vertretern zuständig ist. Und sonst niemand.

Jens Tschebull war Gründungs-chefredakteur von "trend" und "profil", "Club 2"-Moderator und Herausgeber des "Wirtschaftsblattes". Er ist schreibender Pensionist in Wien.

"Ehrlicher wäre es, den sogenannten Arbeitgeberbeitrag dem Lohn zuzuschlagen, wo er hingehört, und von dort als Sozialversicherungsbeitrag abzuziehen."