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Kassenfusion und neue Machtverteilung fix

Von Karl Ettinger

Politik

Der Verfassungsgerichtshof bestätigt wesentliche Teile der türkis-blauen Reform samt Dienstgeber-Dienstnehmer-Parität. Die geplante Prüfung der Sozialbeiträge durch die Finanz muss bis Ende Juni 2020 repariert werden.


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Die Zusammenlegung von 21 auf fünf Sozialversicherungsträger bleibt aufrecht. Für die Versicherten ist damit die Umsetzung ab Anfang kommenden Jahres auf Schiene. Die Neuverteilung der Machtverhältnisse in den Kassen, gegen die die SPÖ-Arbeitnehmer Sturm gelaufen sind, hält: Sie bringt den Dienstgebern eine Parität mit den Dienstnehmern in den Gremien. Der Verfassungsgerichthof (VfGH) hat damit am Freitag Kernpunkten der Sozialversicherungsreform, einem der Prestigevorhaben der ÖVP-FPÖ-Koalition, den Sanktus als verfassungskonform erteilt.

Allerdings haben die Verfassungsrichter auch zehn Bestimmungen, bei denen sie vor allem die Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch den Staat zu stark beschnitten sehen, aufgehoben. Das betrifft auch die vorgesehene Übertragung der Prüfung der Sozialversicherungsbeiträge an die Finanz. Dafür hat das Höchstgericht dem Gesetzgeber eine Reparaturfrist bis 30. Juni 2020 eingeräumt. Alle weiteren Entscheidungen in dem schriftlich rund 500 Seiten umfassenden Erkenntnis, gelten ab sofort.

Insgesamt 14 Beschwerden gegen die Sozialversicherungsreform sind beim Verfassungsgerichtshof gelandet. Im Mittelpunkt standen dabei die Zusammenlegung der neun Gebietskankenkassen zur bundesweiten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), die Auflösung von Betriebskrankenkassen sowie die neue paritätische Zusammensetzung der Gremien. Das wurde von mehreren Gebietskrankenkassen, Arbeiterkammer, Versichertenvertretern und der SPÖ-Bundesratsfraktion angefochten.

Diese Fusion der Gebietskrankenkassen zur Gesundheitskasse sieht das Höchstgericht in der Entscheidung, die Vizepräsident Christoph Grabenwarter verkündet hat, aber als verfassungskonform an. Es liege "im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, eine - wenn auch bewährte Organisationsform - durch eine ihm günstiger erscheinende zu ersetzen", heißt es in der Begründung des Urteils.

Sparsamkeit nicht "zwangsläufig" in Frage gestellt

Man könne nicht finden, dass die Zusammenführung "zwangsläufig zur Folge hätte, dass eine sparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Verwaltungsführung nicht mehr gewährleistet wäre". Von Kritikern ist gegen die Ende 2018 beschlossene Reform eingewendet worden, dass diese bei weitem nicht die angekündigten Einsparungen bringen werde. Bis zu einer Milliarde, die Patienten zufließen könne, war von Regierungsseite genannt worden.

Politisch besonders umstritten ist, dass mit der türkis-blauen Reform die Dienstgeber in den Gremien der Gesundheitskasse, der Unfallversicherungsanstalt und der Pensionsversicherungsanstalt gleich stark vertreten sind wie die Dienstnehmer. In den Gebietskrankenkassen hatten hingegen die SPÖ-Arbeitnehmervertreter bisher klar das Sagen, nun gibt es eine 6:6-Stimmenparität im ÖGK-Verwaltungsrat. Die roten Arbeitnehmervertreter wehren sich gegen die Vormachtstellung der Arbeitgeber über 7,2 Millionen versicherte Arbeitnehmer.

"Spielraum des Gesetzgebers" bei Parität in Gremien

Die türkis-blaue Regelung wurde jetzt vom Verfassungsgerichtshof bestätigt, was als bemerkenswert gilt. Begründet wurde dies damit, dass "nicht nur Dienstnehmer, sondern auch Dienstgeber als Angehörige der Sozialversicherung" gelten. Es sei "nicht anzunehmen", dass der Verfassungsgesetzgeber diese Form der sozialen Selbstverwaltung "grundsätzlich in Frage stellen wollte". Und weiter: "Was die konkrete Ausgestaltung der demokratischen Repräsentation in den Organen der Sozialversicherungsträger betrifft, so kommt dem Gesetzgeber ein erheblicher rechtspolitischer Spielraum zu."

Die Konsequenz des Höchstgerichtsurteils ist, dass sich die Auseinandersetzung um die konkreten Auswirkungen für die Versicherten nun in die Gremien der Gesundheitskasse verlagert. Der Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, Josef Probst, verwies darauf, dass man als Folge der paritätischen Besetzung keine einzige Entscheidung ohne Zustimmung der Dienstgeber mehr treffen könne. Einen Vorgeschmack darauf lieferte der jüngste Konflikt um Pläne der Wirtschaftskammer für strengere Kontrollen der Krankenstände der Arbeitnehmer in der Gesundheitskasse, was von Gewerkschaftern vehement abgelehnt wird. Während Probst über die Nicht-Aufhebung der Parität "enttäuscht" ist, sagte der Chef des Hauptverbandes, Wirtschaftsvertreter Alexander Biach: "Die Parität ist bestätigt worden. Das ist gut so."

Auf die künftige Koalition kommt jedenfalls Arbeit zu. Denn die Übertragung der Prüfkompetenz der Sozialversicherungsbeiträge, die bisher bei den Krankenkassen selbst war, an die Finanzverwaltung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Die Krankenkassen haben in diesem Fall geringere Einnahmen befürchtet. Eine Neuregelung muss nunmehr bis Ende Juni 2020 erfolgen. Die Entscheidung bedeutet allerdings keine automatische Rückkehr zum bisherigen System.

Anders als bei der Parität sehen die Verfassungsrichter in diesem Punkt einen Verstoß gegen Eingriffe in die Autonomie der Selbstverwaltung. Denn das von ÖVP und FPÖ vorgesehene System würde dem "Selbstverwaltungskörper praktisch jeden Einfluss auf Art und Umfang des Ermittlungsverfahrens" nehmen, heißt es als Begründung.

Mehrere Bestimmungen aufgehoben

Bei gleich mehreren, weiteren Bestimmungen erfolgte eine Aufhebung, weil die Höchstrichter die Selbstverwaltung durch staatliche Aufsichtbefugnisse zu stark beschnitten sehen. Das reicht von der staatlichen Aufsicht über die Gebarung der Sozialversicherungsträger, die das "Maß des Erforderlichen" laut Urteil überschreite, bis zu Mustergeschäftsordnungen. Biach war darüber erfreut, weil damit die Selbstverwaltung bestätigt worden sei und einem staatlichen Sozialversicherungssystem eine Absage erteilt worden sei. Generell betonte der scheidende Sozialversicherungschef: "Ich bin froh, dass Klarheit geschaffen worden ist. Die Struktur steht!"

ÖVP und FPÖ zeigten sich ebenso wie Wirtschaftsvertreter erfreut, weil die Sozialversicherungsreform im Wesentlichen bestätig worden sei. Arbeiterkammer und ÖGB sprachen hingegen von einem Rückschlag für 7,2 Millionen Versicherte. Die SPÖ meinte ähnlich wie die Neos, nur weil etwas verfassungsrechtlich möglich sei, sei es noch nicht gut.