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Kassenkampf reloaded

Von Karl Ettinger

Politik

Eine drohende Pleitewelle im Herbst schwebt wie ein Damoklesschwert über den Krankenkassen. Zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber spitzt sich wie vor der Fusion ein Konflikt zu.


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Die Buhfrau der SPÖ-Gewerkschafter ist weg. Die blaue Sozialministerin Beate Hartinger-Klein ist seit dem Bruch der ÖVP-FPÖ-Koalition im Mai des Vorjahres nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos Geschichte. Sie hat die roten Arbeitnehmer mit der Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ab Jänner 2020 und dem Beschneiden des Einflusses der SPÖ-Vertreter auf die Barrikaden getrieben. Inzwischen ist Peter Lehner als oberster Dienstgebervertreter, die mit der Sozialversicherungsreform Parität in den Gremien erhalten haben, das neue rote Tuch.

Seit am 1. Juli mit dem Salzburger Andreas Huss turnusmäßig ein SPÖ-Gewerkschafter für ein halbes Jahr den Vorsitz in der Gesundheitskasse übernommen hat, hat der Kassenkampf zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern deutlich an Schärfe zugenommen. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Sozialversicherung und damit auch die fusionierte Gesundheitskasse der Arbeitnehmer wegen der Corona-Krise deutlich Beitragseinnahmen verloren hat. Die roten Arbeitnehmervertreter, die neben Huss von der früheren Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse und jetzigen Leitenden ÖGB-Sekretärin, Ingrid Reischl angeführt werden, pochen deswegen darauf, dass der Bund die Einnahmenausfälle ausgleicht. Lehner hält jedes Mal dagegen und warf ihnen deswegen ein Verunsichern der Versicherten vor.

Warten auf neue Finanzgebarung Mitte August

Frühestens im September wird es eine Entscheidung geben, wie das Millionenloch in der Sozialversicherung gefüllt wird. Das hat Sozial- und Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) bereits angekündigt. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens wird für Mitte August die nächste Vorschau über die Gebarung der Sozialversicherung und der Krankenkassen erwartet. Zweitens sollte vor der für Oktober geplanten Budgetrede des Finanzministers und den Verhandlungen über das Budget 2021 klar sein, wieviel Geld aus dem Bundesbudget zur Abdeckung der finanziellen Lücke in die Sozialversicherung geschaufelt werden muss.

Huss ist erst in der Vorwoche mit dem Sozialminister zu einer grundsätzlichen Aussprache zusammengetroffen. Er hat dabei nach eigener Aussage "positive Signale" Anschobers für die Anliegen der Kassen empfangen.

Am Montag hat zwar die Gesundheitskasse eine gewisse Stabilisierung der Einnahmen festgestellt. Allerdings wurde noch im Vorjahr dank guter Wirtschaftsentwicklung ein Einnahmenplus bis zu fünf Prozent registriert.

Aber auch nach Vorliegen der neuen Finanzdaten Mitte August wird ein großer Unsicherheitsfaktor bleiben, weil Experten für den Herbst mit einer Pleitewelle rechnen. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Christoph Badelt, hat erst am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" vor steigenden Arbeitslosenzahlen gewarnt. Das bedeutet nicht nur höhere Ausgaben für Arbeitslose, sondern auch fehlende Einnahmen für die Sozialversicherung durch Beschäftigte.

Der Konflikt um die Kassenfinanzierung tobt um mehrere Fragen. In Summe beziffert Huss das Loch mit einer halben Miliarde bis zu einer Milliarde Euro.

Bund soll 200 Millionen Euro Fusionskosten tragen

Während die SPÖ-Arbeitnehmervertreter sonst Nachteile für Versicherte und Patienten befürchten, wenn der Bund nicht finanziell in die Bresche springt, betont Lehner als oberster Dienstgebervertreter, die Leistungen der Versicherten müssten gesichert bleiben und ein "Konsolidierungskurs" gefahren werden. Ein Sparkurs lässt allerdings erst recht die Alarmglocken bei Gewerkschaftern schrillen.

Vorrangig geht es um geringere Einnahmen durch Beiträge. Allein dieser Fehlbetrag wird auf 400 bis 600 Millionen Euro geschätzt. Dazu kommen noch ausbleibende Mittel aufgrund der Stundung von Beiträgen der corona-geplagten Unternehmen. Schließlich fordern die Arbeitnehmervertreter auch, dass der Bund Fusionskosten von 200 Millionen Euro pro Jahr übernimmt, was vor allem der ÖVP sauer aufstößt.

Denn damit werden die Geschütze für die Kämpfe vor der Kassenfusion neu aufmunitioniert. Womit auch die Erinnerung an Hartinger-Klein wach wird.