EU legt erste Kriterien für nachhaltige Investments fest. Entscheidung zu Atomkraft und Gas steht noch aus.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Knapp drei Jahre hat es gedauert: Nun hat die EU-Kommission den Rahmen festgelegt, was als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. Die sogenannte "Taxonomie"-Verordnung listet von Aufforstung über Stromspeicherung bis hin zu Zugverkehr rund 100 Wirtschaftsbereiche auf und definiert, wie diese den Klimazielen der EU dienen. Der Staatenverbund will bekanntlich bis 2030 die CO2-Emissionen um 55 Prozent reduzieren und 2050 klimaneutral sein.
Solarpaneele oder der Transport per Bahn werden in der Taxonomie als klimafreundlich gelistet. Für die Herstellung von Zement oder Aluminium etwa gelten bestimmte Grenzwerte, die eingehalten werden müssen, damit sie als "grün" gelten. Die Verordnung tritt am 1. Jänner 2022 in Kraft.
Doch wozu das Ganze? Die Taxonomie soll als Richtschnur für Investitionen herangezogen werden, was als nachhaltig gilt. Bürger und Investoren sollen so klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten. Viele Experten sprechen dem Finanzmarkt eine wesentliche Rolle bei der Klimawende zu. Dort gibt es die großen Kapitalflüsse, die künftig in grüne Technologien umgelenkt werden sollen. Mit dem jetzt verabschiedeten Rechtsakt ist ein erster Schritt getan.
Grüne Atomkraft?
Doch eine heftig umstrittene Entscheidung steht noch aus. Man könnte sie als Gretchenfrage in der Energiepolitik bezeichnen: Wie hält es die EU mit Erdgas und Atomkraft? Denn seit Monaten streiten die EU-Länder, ob die beiden Energiequellen als "grün", also klimafreundliche eingestuft werden oder nicht. Frankreich, Polen und Tschechien wollen Atomkraft um jeden Preis als nachhaltig in der Taxonomie haben. Deutschland, Luxemburg und Österreich sind strikt dagegen. Umweltschutzministern Gewessler (Grüne) kündigte für diesen Fall bereits eine Klage an. Experten rechnen damit, dass beide Energieträger in die Taxonomie aufgenommen werden - die "Wiener Zeitung" berichtete.
Die EU-Kommission will noch heuer einen weiteren Rechtsakt vorlegen. Laut dem Online-Magazin "Politico" soll die Entscheidung noch vor Weihnachten fallen. Laut EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans könnte es der 22. Dezember sein. "Ich glaube wir müssen einen Weg finden, bei dem diese beiden Energiequellen eine Rolle bei der Energiewende spielen. Das macht sie noch nicht grün, aber man anerkennt damit, dass Kernenergie mit null Emissionen sehr wichtig ist, um die Emissionen zu reduzieren und Erdgas sehr wichtig ist beim Übergang von Kohle zu erneuerbarer Energie", sagte er gegenüber "Politico".
Kritik kommt einmal mehr von Umweltorganisationen. Eine Taxonomie mit Atom und Erdgas wäre aus Sicht der NGO Global 2000 widersinnig: "Wenn Erdgas - wohl mit Kriterien - und Atomenergie vorbehaltlos mit all ihren vollkommen unbeherrschbaren Risiken aufgenommen wird, ist die EU-Taxonomie sinnlos und wird zu transparenten ökologischen Investitionen im Sinne des Pariser Klimaabkommens und des EU Green Deal nichts beitragen," betonte Patricia Lorenz, die Atom-Sprecherin der Umweltschutzorganisation.
Im Finanzbereich ist man ohnehin schon weiter. Mehrere deutsche Banken haben sich bereits gegen die Aufnahme von Atomkraft in die Taxonomie ausgesprochen. Hierzulande schließt sich die Raiffeisenbank International dieser Haltung an. "Auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse lehnt die RBI als Responsible Banker die Aufnahme von Atomkraft in die Grüne EU-Taxonomie ab. Diese Haltung wird durch unseren konzernweiten Code of Conduct und unsere internationalen Nachhaltigkeitsverpflichtungen unterstrichen", sagt Raiffeisenbank International CEO Johann Strobl in einem Statement.