Acht in Untersuchungshaft sitzende katalanische Politiker werden von Madrid in Haftanstalten in Katalonien verlegt. Der neue spanische Premier Sanchez hofft, damit den Dialog mit der separatistischen Führung in Barcelona zu erleichtern.
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Barcelona. (ce) Die gekreuzte gelbe Schleife ist das Zeichen der katalanischen Separatisten. Sie wird am Revers oder Kleid getragen, schmückt im Großformat die leeren Stühle der wegen Rebellion inhaftierten und deshalb abwesenden Abgeordneten der "Independistas" im Parlamentssaal von Barcelona.
Jetzt ist sie auf die Zugangsstraßen zum Gefängnis Lledoners im weiteren Umkreis der katalanischen Hauptstadt gemalt worden. Denn dort werden ab jetzt sechs führende Köpfe der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung untergebracht. Unter Ihnen ist Ex-Vizeregierungschef Oriol Junqueras. Er war im Lande geblieben, als Regionalpräsident Carles Puigdemont vor der Anklage wegen Rebellion nach Ausrufung der Unabhängigkeit Kataloniens im Oktober ins Ausland geflohen ist.
Erste Aussprache am Montag
Die Verlegung der acht Angeklagten - der Prozessbeginn steht noch nicht fest - aus der spanischen Hauptstadt Madrid in ihre Heimatregion ist ein Zeichen des Entgegenkommens. Die neue spanische Regierung unter dem seit einem Monat regierenden sozialistischen Premier Pedro Sanchez setzt auf Dialog mit dem katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra. Und bricht mit der strengen Linie des konservativen Amtsvorgängers Sanchez‘ Mariano Rajoy.
Die beiden werden sich am kommenden Montag zu einer ersten Aussprache treffen. Es werde dafür keine Vorbedingungen geben, erklärte die Regierungssprecherin. Und auch sei kein Thema ausgeklammert. Torra kann also seinen Vorschlag erläutern, ein mit der Zentralregierung abgestimmtes neues Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien anzusetzen.
Katalanen setzen auf Entspannung
Die katalanischen Separatisten antworteten indirekt auf die Verlegung der Inhaftierten. Der liberale PdeCat (Partit Demòcrata Europeu Català) von Torra die linksnationalistische ERC (Esquerra Junqueras verweigerten am Mittwoch die Verabschiedung eines Antrags der links-separatistischen Partei CUP, einen 2015 schon einmal verabschiedet und vom spanischen Verfassungsgericht aufgehobenen Beschluss zu erneuern, der die Einleitung des "Prozesses der Unabhängigkeit" vorsieht und den Ungehorsam gegen Entscheidungen spanischer Höchstgerichte, insbesondere des Verfassungsgerichts.
Die katalanische Regierungssprecherin Elsa Artadi kündigte außerdem an, dass sie in den bisher boykottierten Arbeitsgruppen der Zentralregierung mit Vertretern der Autonomen Regionen künftig teilnehmen wolle. Aber sie sagte auch, das alles habe nichts mit der - seit langem von den Separatisten geforderten - Verlegung der Häftlinge nach Katalonien zu tun. Und man werde auch "nicht verzichten", wenn es um die Fortführung des Prozesses gehe, an dessen Ende ein unabhängiges Katalonien stehen soll.
Puigdemont will Geld
Artadi gilt als rechte Hand von Ex-Regionalpräsident Puigdemont in Barcelona. Dessen politischer Einfluss scheint allerdings zu schwinden. In seinem Exil in Brüssel und anfangs auch in Berlin, wo er während des Verfahrens um seine eventuelle Auslieferung an Spanien zunächst wohnte, hatte er noch Pressekonferenzen gegeben sowie Bürgermeister und Parteifunktionäre aus Katalonien empfangen.
Inzwischen ist er nach Hamburg gezogen. Und statt weiter Politik zu machen, hörte man von Puigdemont nur seine Forderung nach "Tagegeld für seinen Auslandsaufenthalt" als Abgeordneter. Und die Forderung nach dem ihm als Ex-Präsidenten zustehenden eigenen, aus der katalanischen Staatskasse bezahlten, Büro samt Leibwächter.
Ende März war er aufgrund des von Spanien ausgestellten Europäischen Haftbefehls wegen Rebellion und Veruntreuung auf der Fahrt von Dänemark nach Belgien im schleswig-holsteinischen Neumünster festgenommen worden, aber mit Ausreiseverbot wieder freigelassen worden. Das Verfahren sollte in 60 Tagen erledigt sein, wurde aber verlängert. Auf Anfrage spanischer Medien erklärte eine Sprecherin des zuständigen Oberlandesgerichts von Schleswig-Holstein, eine Entscheidung werde sicher nicht mehr in dieser Woche fallen.