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Katalonien-Frage holt Straßburg ein

Von Konstanze Walther

Politik

Den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden bald zwei Anrufe aus der spanischen Krisenregion ereilen.


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Barcelona/Straßburg. Die offiziellen Stellen der Europäischen Union haben die katalanische Frage betont ignoriert. Wer in Katalonien in der Regierung sitzt oder wer in Madrid im Gefängnis, ist Sache des souveränen spanischen Staates, hieß es immer aus Brüssel.

Doch eine andere europäische Stelle, und zwar jene in Straßburg, wird sich demnächst sehr wohl mit der katalanischen Krise befassen müssen. Die Rede ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Und wie es aussieht, wird das Gericht sogar in zwei verschiedenen hochpolitischen Verfahren in Sachen Katalonien angerufen werden.

Zum einen vom derzeit prominentesten U-Häftling Spaniens: dem ehemaligen Vize-Chef der nunmehr abgesetzten katalanischen Regierung, Oriol Junqueras. Der Politiker der linksgerichteten separatistischen "Esquerra Republicana" (ERC) sitzt seit mehr als drei Monaten in Untersuchungshaft vor den Toren Madrids. Er war am 2. November in Gewahrsam genommen worden, weil er der Regierung angehört hatte, die die Ausrufung der Unabhängigkeit der Region vorangetrieben hatte. Während viele seiner Kollegen auf Kaution freigelassen wurden, sah das Gericht bei ihm die Wiederholungsgefahr als zu groß ein. Er durfte auch nicht zur konstituierenden Sitzung im katalanischen Parlament mit Geleit erscheinen.

Nun will Junqueras zuerst den spanischen Verfassungsgerichtshof anrufen, um danach den Instanzenzug zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verfolgen zu können. Junqueras ersucht nun in einem ersten Schritt das spanische Verfassungsgericht, seine U-Haft aufzuheben. Seine Inhaftierung sei eine "rechtswidrige Sanktionierung für seine Ideologie, seinen Glauben und seine politische Orientierung", heißt es, und bestrafe damit seine ideologische Selbstbestimmung.

Auch Junqueras’ Parteikollege Roger Torrent will den Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschreiten. Allerdings stellt sich sein Problem ganz anders dar: Torrent, zum Präsidenten des katalanischen Regionalparlaments gewählt, hat die undankbare Aufgabe, den katalanischen Regierungschef zu berufen. Und hier spießt es sich gewaltig. Denn die größere der separatistischen Parteien, die Bewegung "Junts per Catalunya" (JxCat), hat Torrent schließlich nur zum Präsidenten des Parlaments gemacht, damit er dann einen der Liste JxCat zum Regierungschef macht. Und zwar wieder Carles Puigdemont, der sich derzeit bekanntlich im Exil beziehungsweise auf der Flucht in Belgien aufhält.

Nun will Torrent das Europäische Gericht für Menschenrechte prüfen lassen, ob oder wie sich Puigdemont vor dem Parlament "wirksam präsentieren" könnte, um Regierungschef zu werden, sprich ob man ihm freies Geleit für den Gang ins Parlament zusichern könnte.

Von der Bewegung JxCat kommt allerdings nur Unverständnis. Torrent solle sich doch bitte mit so einer Sache nicht lächerlich machen, heißt es da. Es sei ein willkürlicher und nicht abgestimmter Akt. Man wolle lieber andere juristische Wege ausschöpfen, als um Garantien anzusuchen, die wenig Erfolg versprechen.