Barcelona fordert unabhängiges Steuersystem - Neuwahlen dieses Jahr.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Madrid/Wien. Zerbricht Spanien politisch an der Wirtschaftskrise? Die separatistischen Tendenzen in Katalonien werden von Tag zu Tag stärker. Nachdem vor zwei Wochen hunderttausende Katalanen für eine Loslösung von Spanien demonstriert haben, wird die wirtschaftsstärkste iberische Region noch in diesem Jahr Neuwahlen abhalten. Termin sei entweder der 25. November oder der 2. Dezember, kündigte der katalanische Regierungschef Artur Mas am Dienstag im Rahmen einer Kabinettssitzung in Barcelona an.
Mas hatte zuvor vergebens versucht, Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy dazu zu bewegen, Katalonien ein unabhängiges Steuersystem aufbauen zu lassen. Derzeit erhält die Region ein Drittel der bei ihr erhobenen Einkommenssteuern. Rajoy lehnte das Anliegen ab, weil es seiner Meinung nach mit der spanischen Verfassung unvereinbar sei. Allerdings heben die "historischen" Regionen Baskenland und Navarra ihre Steuern selbst ein und geben davon nur einen geringen Teil an die Regierung in Madrid weiter.
Die Regierung in Barcelona beklagt seit längerer Zeit, dass es mehr als 16 Milliarden Euro jährlich zur Entwicklung der restlichen Regionen Spaniens an Madrid abliefere, aber nichts in die eigenen Kassen zurückfließe. Problematisch für Katalonien ist, dass es praktisch pleite ist. Die Region, die in etwa die Wirtschaftsleistung von Portugal erbringt, sitzt auf einem Schuldenberg von 44 Milliarden Euro und konnte im Juli einigen Bildungsinstituten und Krankenhäusern die zugesagten Subventionen nicht zahlen. Wegen der Spannungen mit Madrid hatte die Ratingagentur Standard&Poor’s kürzlich Katalonien auf Ramschstatus gesetzt. Bis zum Jahresende werden allerdings mehrere Milliardenkredite fällig, und da die Banken keine weiteren Darlehen zu bezahlbaren Zinsen gewähren, hat die Region Madrid um eine Hilfe von fünf Milliarden Euro gebeten.
Dabei ist Spanien ein Kandidat für den Euro-Rettungsschirm. In Europa gibt es ernste Sorgen, dass Spanien mehr Hilfe benötigen könnte, als die 100 Milliarden Euro, die die Finanzminister der Eurozone zur Bankenrettung zur Verfügung gestellt haben. Die Unzufriedenheit mit dem Sparprogramm treibt die Leute zu Protesten auf die Straße. Um sich vor den "Indignados", den "Empörten" zu schützen, hatte die Polizei am Dienstag das Regierungsgebäude abgeriegelt.
Nun setzt Mas mit Separatismus und Neuwahlen die Zentralregierung weiter unter Druck. Nationalistische Katalanen-Parteien wollen morgen, Donnerstag, im Regionalparlament eine Resolution mit der Forderung nach Unabhängigkeit einbringen. Die Regierung in Barcelona hat bereits das Programm zu einer Medienoffensive gestartet, die Katalonien international als eigenes Land abbilden soll, wie Sprecher Francesc Homs erklärte. Für Mas, der derzeit mit einer Minderheit regiert, sind die Neuwahlen die Gelegenheit eine solide Mehrheit im Parlament in Barcelona zu erlangen.
Madrid schließt eine Abstimmung über die Unabhängigkeit alleine schon aus verfassungsrechtlichen Gründen aus. Bereits 2005 blockierte Madrid ein ähnliches Ansinnen des Baskenlandes. Doch Mas verweist gerne auf das für 2014 geplante Unabhängigkeitsreferendum in Schottland als "demokratisches Vorbild".