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Katar auf dem Weg zum Weltmarktführer

Von Bernd Vasari aus Katar

Wirtschaft

Gas machte den Wüstenstaat zu einem der reichsten Länder der Welt. Nun geht Katar noch einen Schritt weiter.


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Katars Landschaft ist flach und öde, auf dem staubigen Boden liegt Geröll. Kein Baum wächst hier, nicht einmal Gebüsch. 90 Kilometer lang bleibt das Erscheinungsbild links und rechts von der Autobahn, die von Doha durch das Landesinnere führt, gleich. Dann taucht Ras Laffan auf. Inmitten der Mondlandschaft wirkt der Industrieort wie eine Raumstation mit Stichflammen. Ras Laffan ist das Herz der katarischen Wirtschaft, die Pumpe, die das Land antreibt.

In dem Komplex mit Kühlwasseranlagen und eigenem Hafen werden jährlich Millionen Tonnen Erdgas verarbeitet, das aus dem Persischen Golf vor der Küste gewonnen wird. Das Gas wird auf minus 162 Grad gekühlt, damit es flüssig wird. In flüssigem Zustand ist sein Volumen um das 600-fache geringer als in gasförmigem Zustand. Das Flüssiggas (LNG) wird auf Schiffe gelagert und in alle Welt exportiert.

Katar ist nach Australien der weltweit zweitgrößte Exporteur von Flüssiggas. Bald könnte der Wüstenstaat jedoch zur Nummer eins aufsteigen.

Katar ist erst seit kurzem Gaslieferant, der Schatz des Landes wurde zwar 1971 von der britischen Firma Shell entdeckt, doch er blieb vorerst unberührt am Meeresboden des Persischen Golfes. Es dauerte 20 Jahre, bis der Wüstenstaat den Wert des größten Gasfeldes der Erde erkannte. Um möglichst viel Gas auf Schiffen transportieren zu können, spezialisierte sich Katar auf Flüssiggas. Für die großflächige Verarbeitung wurde aus ein paar Fischerdörfern der Industriekomplex Ras Laffan.

Der erste Kunde war mit Chubu Electric Power ein japanisches Stromunternehmen, das Toyota belieferte. Mit großen Spezialschiffen, angefertigt in Südkorea, konnte der Wüstenstaat die größten Mengen zum besten Preis transportieren.

Hauptabnehmer Südkorea

Mittlerweile werden in Ras Laffan jährlich 77 Millionen Tonnen Flüssiggas produziert. Im Jahr 2020 nahm Katar mit dem Gas-Export 18,2 Milliarden US-Dollar ein. Mit 20,1 Prozent der Menge war Südkorea der Hauptabnehmer, danach folgten Indien (16,5 Prozent), China (16,4 Prozent) und Japan (16,4 Prozent) - siehe Grafik.

Mit 4,7 Prozent war Italien das EU-Land mit dem höchsten LNG-Export aus Katar, Spanien bezog 1,8 Prozent, Belgien 1 Prozent. Im weltweiten Vergleich ein geringer Anteil, doch die Nachfrage steigt.

Seit dem Einfall Russlands in der Ukraine und der damit verbundenen Gasknappheit bemühen sich EU-Mitgliedsstaaten verstärkt um das Flüssiggas. So besuchten etwa Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz oder auch der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer, gemeinsam mit Energieministerin Leonore Gewessler, den Golfstaat. Doch mit überschaubaren Ergebnissen. Österreich kam nicht über eine Absichtserklärung hinaus. Und Deutschland muss zuerst einmal seine LNG-Terminals fertigbauen, um direkt an katarisches LNG zu gelangen.

Ob Katar dann noch Interesse hat, ist jedoch fraglich. Erst am Montag wurde ein 60 Milliarden Dollar schweres Lieferabkommen mit China geschlossen. Demnach wird Katar 108 Millionen Tonnen LNG bis 2050 in die Volksrepublik exportieren. Es ist einer der größten und langfristigsten Gaslieferverträge überhaupt. Eine Dauer, die mit EU-Länder nur schwer vorstellbar ist, weil dort LNG lediglich als Übergangsenergiequelle dienen soll.

Frankreichs Fuß in der katarischen Tür

Mit Ausnahme von Frankreich. Anders als Deutschland oder Österreich hat das EU-Land schon lange einen Fuß in der Tür zu den katarischen Gasquellen. Der französische Energiekonzern Total Energies ist als einziges ausländisches Unternehmen in allen Branchen des Gas- und Ölsektors tätig.

Total Energies ist Mitbegründer des staatlichen Öl- und Gas-Unternehmens Qatar Energy (vormals Qatar Petroleum) im Jahr 1974 mit einer Beteiligung von zehn Prozent. Die Beteiligung wurde 2002 auf 20 Prozent erhöht. Als 1984 das auf LNG spezialisierte Tochterunternehmen Qatargas gegründet wurde, war Total Energies ebenso mit an Bord und hält bis heute Anteile.

In diesem Jahr wurde die katarische Partnerschaft mit Total Energies auf eine neue Stufe gehoben. Im Juni unterzeichneten beide einen Vertrag über mehr als zwei Milliarden Dollar. Mit den Finanzspritzen aus Frankreich wird der Wüstenstaat die Förderung seines Gasfeldes Nordfeld ausbauen, dem größten Gasfeld der Welt. Total Energies ist das erste ausländische Unternehmen, das einen Zuschlag für die Erschließung des Erdgasfeldes erhielt.

Im September folgte ein weiterer Vertrag über zusätzliche Investitionen von 1,5 Milliarden Dollar. Total Energies werde künftig eine "stärkere strategische" Rolle bei der Gasförderung in Katar spielen, sagte Energieminister Saad al-Kaabi, der zugleich der Chef von Qatar Energy ist.

Mit dem Ausbau möchte Katar seine Export-Kapazitäten im ersten Schritt von derzeit 77 Millionen Tonnen LNG pro Jahr auf 110 Millionen Tonnen pro Jahr ab 2025 erhöhen. In der zweiten Phase plant Katar, seine LNG-Produktion auf 126 Millionen Tonnen pro Jahr ab 2027 zu steigern. Damit würde der Golfstaat zum größten LNG-Exporteur weltweit aufsteigen und an Australien, mit einer Kapazität von 88,6 Millionen Tonnen, vorbeiziehen.

Die Gasvorkommen haben Katar reich gemacht. Der geplante Ausbau der Kapazitäten und die gleichzeitig hohe Nachfrage werden das Land nun auch zu einem bedeutenden globalen Player mit großem Einfluss machen.