Sirenen, Radio, TV, Internet - für Katastrophenwarnungen gibt es viele Wege. Über Mobilfunk soll dies laut EU bis 2022 möglich sein. Ob Cellular Broadcast oder Katwarn, in Österreich fehlen fertige Lösungen.
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Überschwemmungen, Waldbrände, Erdbeben - das Schlimmste könnte oft verhindert werden, würden die Menschen in den betroffenen Gebieten frühzeitig gewarnt. Seit den Überschwemmungen in Deutschland und Österreich ist aber klar geworden: Die wichtigen Katastrophenmeldungen kommen derzeit bei den Menschen nicht an.
Während Österreich alljährlich am ersten Oktoberwochenende die traditionelle Sirenenprobe abhält - zuletzt heulten am 3. Oktober 2020 landesweit über 8.000 Sirenen los -, hat Deutschland diese zum Teil gar abgebaut. Man setzte auf Warnungen über die Medien. Wie sich leider gezeigt hat, funktionierte dies weder zuverlässig noch ausreichend.
Cell Broadcast als Lösung?
Nun poppt in der öffentlichen Diskussion ein System auf, das es eigentlich schon seit Jahrzehnten gebe: Cellular Broadcast. Dieses könnte auch in Österreich künftig vor Katastrophen warnen. Bei Cell Broadcast, auch SMS-CB genannt, handelt es sich um einen Dienst auf SMS-Basis, der Kurznachrichten in bestimmten Gebieten, welche über die Mobilfunkstationen definiert werden, zustellen kann. Wer sich dort aufhält, bekommt eine Warnung auf sein Handy - unabhängig davon, bei welchem Mobilfunkbetreiber er oder sie Kunde ist. Die Nachricht wird an alle Empfänger geschickt, die sich in der betroffenen Funkzelle befinden.
Cellular Broadcast gibt es zwar schon seit GSM-Zeiten, es wurde aber auch bereits für 3G-, 4G und 5G-Netze spezifiziert und ist in einigen europäischen Ländern, wie den Niederlanden, in Italien, Litauen und Griechenland, längst im Einsatz.
So warnte etwa die griechische Regierung vergangenen Sommer sämtliche Menschen innerhalb ihrer Staatsgrenzen, auch Touristen, vor steigenden Corona-Infektionszahlen und empfahl gewisse Vorsichtsmaßnahmen. Wie aus eigener Erfahrung zu berichten ist, wurde dies mit einem durchdringenden Piepen zeitgleich auf sämtlichen Handys angekündigt, eine überraschende Erfahrung. Warum gibt es das im Mobilfunk-Vorzeigeland Österreich nicht, wollten wir von den heimischen Mobilfunk-Betreibern wissen.
Auftrag und Finanzierung fehlen
Kurz zusammengefasst: Weil es (noch) keinen öffentlichen Auftrag dafür gibt und weder die rechtlichen Voraussetzungen noch eine entsprechende Finanzierung vorhanden sind, erläuterte man von der Telekom Austria. Mobilfunkbetreiber dürfen derzeit laut geltendem Recht nur mit Einverständnis der Kunden SMS-Informationen zustellen. Ausnahmen im Katastrophenfall müssten erst festgelegt werden. Möglicherweise schaffe das neue Telekommunikationsgesetz hier Abhilfe, so die Telekom. Und dann wäre da auch noch die Frage der Finanzierung zu klären, denn das Aufsetzen und der Betrieb eines solchen Systems verursachen natürlich Kosten, denen jedoch keinerlei kommerziellen Einnahmen gegenüberstehen.
Es gelte zudem zu definieren, wer die Nachrichten wie ins System einspeisen darf und über welche Schnittstellen. Vorteil der SMS-Benachrichtigung wäre jedenfalls, dass es sich um ein sehr sicheres Medium handelt, was die Zustellung betrifft, da jedes Handy in dem Moment erreichbar ist, in dem es sich ins Mobilfunknetz im jeweiligen Gebiet einhängt. Die Nachrichten werden über den Mobilfunk-Rückkanal zugestellt, benötigen daher kaum Bandbreiten - anders als bei Benachrichtigungen über Dienste wie WhatsApp & Co.
Was wurde aus Katwarn?
Aber brauchen wir überhaupt ein neues System, gibt es in Österreich doch die "Katwarn-App", ursprünglich offenbar eine Smartphone-App, die 2017 in Probebetrieb ging, um in Katastrophenfällen oder bei Großeinsätzen von Blaulichtorganisationen Menschen zu informieren und mit Verhaltenshinweisen zu versorgen.
Laut dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) handelte es sich dabei um eine Serviceleistung des Innenministeriums, das den Ländern - sie sind für Katastrophenschutz zuständig - zur Verfügung steht. Die Kosten bezifferte der Minister 2017 mit einem "sechsstelligen Betrag". Für den Nutzer sei die App gratis, die Informationen würden von der Behörde selbst eingespeist. Seit 2017 hat man von der Katwarn-App kaum noch etwas gehört. Sie wurde in Österreich nur von rund 104.000 Personen heruntergeladen.
Das Innenministerium erläutert auf WZ-Anfrage dazu, Katwarn sei keine Konkurrenz zu Cell Broadcast, sondern: "Katwarn ist eine IT-Lösung, mit der unterschiedlichste Informationskanäle angesteuert werden können, auch Cell Broadcast." Katwarn sei zuständig für die Übermittlung von Warnungen durch die zuständigen Behörden mit entsprechenden Vorgaben und Sicherheitskriterien an die Telekommunikationsbetreiber. Dann fügte das BMI noch hinzu. "Da die Umsetzung insgesamt noch nicht geklärt ist, wird Katwarn aktuell nicht aktiv beworben."
Bis Sommer 2022 muss ein Mobilfunk-Warnsystem laut EU-Vorgabe jedenfalls in ganz Europa, auch in Österreich, funktionieren. Wie vom Telekom-Regulator zu hören war, fehlt es hierzulande aber noch an den gesetzlichen Vorgaben und der Durchführungsverordnung, für welche das Ministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus in Abstimmung mit dem Innenministerium zuständig ist.