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Katastrophen und Rohstoffmärkte - Wenn es nur um die Kohle geht

Von Barbara Ottawa

Analysen

"Always Look on the Bright Side of Life" - dieses Motto aus dem gleichnamigen ironischen Song der britischen Komikertruppe Monty Python kann zwar in manchen Situationen ein guter Ratschlag sein, in anderen führt es jedoch nur zu geschmacklosen Aussagen. So geschehen zum Beispiel in einer Pressemitteilung des Investmenthauses BNP Paribas mit dem Titel: "Überschwemmungen in Australien kommen Indonesiens Kohle-Industrie zugute". Ein paar Absätze weiter unten stellte ein Investment-Spezialist des Hauses fest, dass die indonesische Kohleindustrie von den durch die Naturkatastrophe ausgelösten Ausfällen "profitieren" kann.


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Natürlich ist klar, dass jede Naturkatastrophe zu einer Abwanderung von Kapital aus der betroffenen Region führt und damit zu einer Verschiebung der Export-/Importketten auf andere Anbieter und Kunden. Das ist nicht erst heute so; das Phänomen ist wahrscheinlich so alt wie die Siedlungsgeschichte der Menschheit.

Sicher ist auch, dass sich viele Investoren und Spekulanten derzeit die Hände reiben, weil die Überflutungen den Kohlepreis schneller als erwartet in die Höhe getrieben haben. Auf fallende Rohstoffpreise setzt derzeit kaum jemand, weil es weltweit durch den konjunkturellen Aufschwung wieder zu einem Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen gekommen ist.

Vor der Finanzkrise hatte sich der globale Kohlemarkt fundamental geändert: China, bisher einer der größten Kohleexporteure, hatte begonnen, den Rohstoff zu importieren, um den Hunger der immer stärker wachsenden heimischen Industrie zu stillen.

Gemeinsam mit außergewöhnlich heftigen Monsun-Regenfällen trieb diese gestiegene Nachfrage den Kohlepreis bis Mitte 2008 auf ein Allzeithoch von knapp 200 US-Dollar per Tonne. Die Krise ließ den Preis aber im Jahr darauf wieder auf rund 70 US-Dollar (mit ein paar kurzzeitigen Schwankungen auf bis zu 50 US-Dollar) absinken.

Durch die Überschwemmungen in Australien, das normalerweise zwei Drittel des weltweiten Kohlebedarfs für die Metall- und Stahlindustrie deckt, und die daraus entstandenen Versorgungsunterbrechungen ist der Preis mittlerweile wieder auf 130 US-Dollar gestiegen.

Neuer Preisrekord?

Echte Engpässe gibt es in der Kohleversorgung noch nicht. Dafür sorgen Reserven, die etwa in Rotterdam oder anderen Hafenstädten bereit liegen. Aber einige Analysten nehmen an, dass heuer der Preisrekord von 2008 gebrochen werden wird. Das wiederum könnte zum Beispiel zu einer Verdoppelung der Kosten der Stahlproduktion führen.

Genau deshalb sollten sich nicht nur Kohlehändler Gedanken über die Entwicklung des Kohlepreises machen. Zunächst ist Kohle praktisch fixer Bestandteil beinahe jedes gemischten Rohstofffonds. Aber auch wer nicht in "Commodities" investiert, könnte etwa durch die Einbußen, die australische Kohlefirmen erleiden, Änderungen in Aktienfonds sehen. Oder aber zum Beispiel auch bei der Voest-Alpine, falls die Preissteigerungen weiter anhalten sollten.

Im Moment ist der österreichische Stahlproduzent nach eigenen Angaben gut mit Kohle versorgt und ein Viertel des Bedarfs kommt sowieso aus dem steirischen Erzberg, aber über einen längeren Zeitraum wird sich auch die Voest wahrscheinlich nicht von den Preissteigerungen abkoppeln können. Dann kommt es darauf an, ob die Kunden auch bereit sind, teureren Stahl zu kaufen.

Natürlich ist es also so, dass einige Menschen, Firmen und Investoren von der Misere anderer "profitieren", aber auch die Investmentwelt sollte nicht abgehärtet genug sein, einen solchen Umstand auch in einer Pressemitteilung anzupreisen.