*Wenn nicht der Papst anreiste oder einem Priester Kindesmissbrauch vorgeworfen wurde, war es - verglichen mit den Groër-Krenn-Zeiten - in den letzten Jahren eher still in der katholischen Kirche Österreichs. Wer das Kirchenvolksbegehren von 1995 unterstützte (Liberalisieren der Sexualmoral, Zugang zu Weiheämtern auch für Verheiratete und Frauen, Mitsprache der Ortskirche bei Bischofsernennungen), sah unter der gegenwärtigen Kirchenleitung keine Chance für echte Reformen, die Bischöfe wieder mussten bemüht sein, die äußerst heterogene Gläubigenschar einigermaßen bei der Stange zu halten.
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Nun zeigt sich zumindest auf regionaler Ebene, in der Diözese Linz, dass der Kirche der Konfliktstoff keineswegs ausgegangen ist. Was ist geschehen? Bischof Ludwig Schwarz hat die - bisher in einzelnen Fällen übliche - Spendung des Taufsakraments durch Pastoralassistenten untersagt (er hat auch bereits Laien das Predigen in Eucharistiefeiern verboten) und sich auf vatikanische Dokumente berufen: "Ordentliche Spender der Taufe sind Bischof, Priester und Diakon."
Wut bei Assistenten - und Angst um Zukunft
Dass nun die Pastoralassistenten "tiefe Betroffenheit, Ärger, Wut, aber auch Sorge und Angst um die Zukunft der Kirche" zum Ausdruck bringen, Theologiestudenten und Kritiker der bischöflichen Entscheidung gegen Schwarz demonstrieren, die Initiative "Wir sind Kirche" auf die Barrikaden steigt, hat nicht nur mit dem aktuellen Anlass zu tun. Das Argument, dass die Taufe ein Sakrament sei, das in Notsituationen immer schon von Laien gespendet werden durfte, hat an Kraft verloren. Gerade der heutige Papst Benedikt XVI. hat die alte Vorstellung eines "Limbus", eines eigenen Ortes oder Zustandes für die Seelen ungetaufter Kinder, zurückgewiesen. Auch ungetaufte Kinder können zum Heil gelangen.
Notsituation der Kirchedurch Priestermangel
Die Notsituation, so argumentiert auch "Wir sind Kirche", bestehe in der gesunkenen Priesterzahl. Diese Tatsache erfordere, dass bestimmte Aufgaben nicht mehr ausschließlich Klerikern vorbehalten bleiben. Viele Gläubige sehen in hochqualifizierten Laien nicht nur "Lückenbüßer", sondern wollen bewusst, dass diese ihnen auch Sakramente spenden dürfen.
Der Klerikermangel und die Kirchenpolitik der letzten Jahre hat die Kirche in ein Dilemma geführt: Sie hat jetzt viele gut ausgebildete Laien, die aber laut Kirchenrecht vieles nicht dürfen, und sie hat immer weniger Kleriker, die nicht mehr überall sein und etliches - zum Beispiel Predigen - oft weniger gut als manche Laien können.
Zugang zu Weiheämtern reformieren?
Die eine Lösung wäre jetzt, entsprechend qualifizierten Laien auch kirchenrechtlich immer mehr bisher priesterliche Aufgaben zuzugestehen, die andere, die Zugangsbedingungen zu Weiheämtern zu reformieren.
Die Konflikte um Laienpredigten und -taufspendungen deuten an, dass die Kirche, wenn die Priesterzahlen weiter sinken, in unseren Breiten früher oder später um eine klare Entscheidung in die eine oder andere Richtung nicht herumkommen wird.
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