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"Katrina" beeinflusst Wahl

Von Hans Dahne

Politik

Jazz-Metropole wählt Bürgermeister. | Schwarzer gegen weißen Demokraten. | Washington/New Orleans . (dpa) Neun Monate nach Hurrikan "Katrina" entscheidet die amerikanische Südstaatenmetropole New Orleans am Samstag in einer Stichwahl über einen neuen Bürgermeister.


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In einem Kopf-an-Kopf-Rennen muss der nach "Katrina" weithin bekannt gewordene Amtsinhaber Ray Nagin (49) um seine Wiederwahl kämpfen. In dieser zweiten Runde werden die weißen Wähler in New Orleans nach allen Prognosen den Ausschlag geben, ob der Afroamerikaner Nagin gewinnt oder der weiße Vizegouverneur des US-Staates Louisiana, Mitch Landrieu (45). Sechs von zehn weißen Wählern unterstützten im ersten Wahlgang keinen der beiden Kandidaten.

Eins scheint dagegen festzustehen: New Orleans wird auf Grund seiner neuen Bevölkerungsstruktur weißer, wohlhabender und weniger bevölkert sein und eines Tages möglicherweise wie Las Vegas am Mississippi aussehen. Hätte Hurrikan "Katrina" einen Bogen um die Jazz-Metropole gemacht, dann müsste sich Nagin um seine Wiederwahl keine Gedanken machen. Sieben von zehn Einwohnern in New Orleans waren bisher Afroamerikaner und der Bürgermeister in den vergangenen 28 Jahren stets ein Schwarzer.

Als der Wirbelsturm die Deiche brechen ließ und Wassermassen weite Teile des Stadtgebietes überfluteten, passierte das, was jetzt wahlentscheidend sein könnte. Laut allen Studien packte die weiße Mittelklasse ihre Sachen, flüchtete mit eigenen Fahrzeugen nicht zu weit weg, um sich nach dem Sturm um Versicherung, Baugenehmigung und Wiederaufbau zu kümmern.

Die mehrheitlich schwarze und arme Bevölkerung kam zumeist in anderen Bundesstaaten unter. Lange Reisewege und hohe Kosten stehen in den meisten Fällen vor der Heimkehr oder einem Kurzbesuch. Beim ersten Wahlgang vor einem Monat betrug der Stimmanteil der Schwarzen nur noch 53 Prozent.

Die Wahlbeteiligung wird am Samstag auch mitentscheiden, welche Stimmbezirke künftig besseres Gehör bei der Stadtverwaltung finden. "Die Ungleichheit beim Wohlstand und bei der Entfernung der Evakuierten von ihren zerstörten Häusern diktiert in vielen Fällen, welches Viertel zur Zukunft der Stadt gehört und welches der Vergangenheit übergeben wird", schreibt die "Washington Post".

Nicht nur die Hautfarbe entscheidend

Der weiße Herausforderer Landrieu hat gemäß der veröffentlichten Spendengelder sechs Mal mehr Wahlkampfmittel erhalten als der schwarze Amtsinhaber Nagin. Der amtierende Bürgermeister wirft seinem demokratischen Parteikollegen deshalb vor, er stecke "im Geldbeutel mächtiger nationaler Interessen". Der 45-Jährige kommt aus einer angesehenen Politikerfamilie. Sein Vater Moon Landrieu war bis 1978 der letzte weiße Bürgermeister in New Orleans. Schwester Mary versucht als US-Senatorin Milliardenbeiträge aus Bundesmitteln für den Wiederaufbau loszueisen. Bei so viel Rückenwind müsste Landrieu eigentlich ab 1. Juni das Bürgermeisteramt übernehmen. Aber die Wahl sei eben nicht nur schwarz oder weiß, schreibt die lokale Tageszeitung "Times-Picayune". Viele schwarze Wähler erinnerten sich noch an die Tage von Vater Moon Landrieu, der die Rassendiskriminierung bekämpfte und wählten jetzt dessen Sohn. Auf der anderen Seite würde eine beträchtliche Zahl weißer Wähler Landrieu nicht mögen, weil dessen Familie als zu liberal angesehen werde.

Die Geschichte steht eigentlich auf Nagins Seite. Vor 60 Jahren wurde in New Orleans zuletzt ein Bürgermeister aus dem Amt gewählt. 80 Jahre ist es her, seit ein Bürgermeister nach der ersten Amtsperiode gehen musste.