Hurrikan enthüllte hässliches Amerika. | Katastrophenschutz als unfähige Behörde. | Washington/NewOrleans. (apa/dpa) Der Hurrikan "Katrina" war nicht nur eine Tragödie für hunderttausende Bewohner der US-Golfküste - es wurde auch eine der größten Blamagen in der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush. Die Naturkatastrophe enthüllte nämlich die hässliche Seite Amerikas: Armut, Rassismus und Gewalt wurden weltweit sichtbar ins Scheinwerferlicht getaucht.
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Das Desaster am Mississippi-Delta entlarvte in diesem Fall die Unfähigkeit des nationalen US-Katastrophenschutzes, die Zögerlichkeit des Präsidenten und das miserable Krisenmanagement der Regierung in Washington.
Im Gedächtnis der US-Bürger ist wohl vor allem jenes Foto geblieben, das Bush zeigte, als er aus dem Fenster seiner "Air Force One" aufs Katastrophengebiet hinunter schaute, während gleichzeitig Bilder vom zigtausendfachen Elend, von hilflosen Alten, Kranken und Kindern im Wasser oder auf Hausdächern im überfluteten New Orleans um die Welt gingen.
Sehenden Auges ins Verderben gelaufen?
Unvergessen ist der Satz des Präsidenten: "Ich denke, kein Mensch konnte das Brechen der Deiche voraussehen." Dabei stand in jedem besseren New-Orleans-Reiseführer etwas über die Furcht der Jazz-Metropole mit ihren zu schwachen Deichen vor einem Jahrhundert-Sturm wie "Katrina".
Der Hurrikan hinterließ arge Kratzer an Bushs Image als entschlossener Macher. Die Öffentlichkeit war geschockt, die Popularität des Präsidenten ging, auch wegen damaliger Skandale bei den Republikanern, in den Keller.
Bush erlebte in der Folge die dunkelsten Monate seiner Präsidentschaft. "Katrina war ein nationales Versagen, [...] ein Sammelsurium aus Fehlern, Versäumnissen und Absurditäten", hieß es schonungslos im Untersuchungsbericht des Kongresses. "Eine frühere Einmischung des Präsidenten hätte die Hilfe beschleunigt", lautete die relativ zaghafte Kritik einer Kommission, die ausschließlich republikanisch besetzt war.
Katastrophe offenbarte die Rassismus-Fratze
Als Sündenbock musste Michael Brown dienen. Der schließlich gefeuerte Direktor der Katastrophenbehörde (Fema) behauptet bis heute, die Regierung habe auf seine Mahnungen nicht angemessen reagiert.
Noch etwas zeigten die Bilder aus dem überwiegend von Schwarzen bewohnten New Orleans: das "echte" Amerika, das in Hollywood-Filmen nur selten vorkommt. In den reichen USA leben mehr als 37 Millionen Menschen unter der offiziellen Armutsgrenze von 22.509 US-Dollar (17.537 Euro) Jahreseinkommfen für eine vierköpfige Familie. In keiner Bevölkerungsgruppe ist der Anteil der Armen so groß wie bei den Schwarzen: Fast jeder vierte zählt dazu.
In der Extremsituation von New Orleans offenbarte sich der Rassismus als Fratze der US-Gesellschaft: Weiße Flüchtlinge, die in ihrer Not Supermärkte plünderten, wurden in den Medien bemitleidet. Bei Schwarzen hingegen war schnell das Wort "Plünderer" zur Hand. Ein Reporter entgleiste gar und meinte, die Leute wühlten in Mistkübeln nach Essbarem "wie die Tiere".