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Katzen: Ihre Sprache, ihr Charakter

Von Angela Thierry

Reflexionen

"In den Augen unserer Katzen sind wir Menschen eine Art große Superkatze", meinen Tierpsychologen. Und wir - die sogenannten | "Superkatzen" - glauben tatsächlich, die Sprache unserer Katzen zu verstehen.


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Das Kommunikationssystem der Katzen ist vielfältiger als wir meinen. Sie kommunizieren durch Mimik, Körperhaltung, Berührungen, Duftsignale und Laute.Dieses erstaunlich umfassende Vokabular benutzen Katzen, um den vermeintlichen Artgenossen "Mensch" über wichtige Dinge zu informieren.

Drei Beispiele: Das Reiben eines Kätzchens am Bein wird zumeist als schmeichelndes Zeichen der Zuneigung interpretiert. Richtig ist vielmehr, dass die Katze ihren Mitbewohner als Eigentum markiert. Für andere Katzen heißt das so viel wie: "Pfoten weg, dieser Mensch gehört mir", denn mit den Duftdrüsen an Wangen und Kinn wird alles markiert, was dem eigenen Revier zugeordnet wird. Markiert wird auch optisch, mit den Krallen. Alles, was eine schöne, raue Oberfläche hat, wird schon vom kleinen Kätzchen ausgiebig bearbeitet. Das ist der Baum im Garten genauso wie das Sofa, der Teppich oder die Zimmerpflanze in der Wohnung. Wenn das für viele Katzenbesitzer auch als rücksichtslose Unart interpretiert wird, so dient dies in Wahrheit nur der notwendigen Krallenpflege und drückt Wohlbehagen aus. Die Nachricht lautet: "Hier bin ich der Chef, das ist mein Zuhause." Ein Kratzbaum aus der Tierhandlung ist hier sicher die bessere Alternative.

Formen der Kontaktaufnahme. Katzenlaute nachzuahmen ist ein probates Mittel zur Kontaktaufnahme. Ein helles, gurrendes "Murr" zur Begrüßung versteht jeder Stubentiger. In der freien Natur folgen diesem Laut ganz zarte Maunztöne. Die wiederum können der Auftakt zu langen Plaudereien zwischen Katzenmüttern und ihren Jungen sein, oder zwischen dem verliebten Kater und seiner Angebeteten.

Ihr mimisches Repertoire ermöglicht es der Katze, ihren Artgenossen und den "menschlichen Mitkatzen" eigene Stimmungen anzuzeigen. So signalisieren zum Beispiel nach vorne gerichtete, gespitzte Ohren Interesse und Aufmerksamkeit, werden die Ohren aber nach hinten gedreht, so bedeutet das entweder die Drohung: "Verschwinde" oder auch Angst.

Gähnen und Blinzeln signalisieren Freundlichkeit. Das betonte vollständige Schließen und Öffnen der Augen entschärft Spannungen und heißt so viel wie: "Lass uns friedlich sein!"

Die vielfältigen Charakterzüge von Rassekatzen: Wir kennen anschmiegsame und kratzbürstige, treue und flatterhafte, exzentrische und genügsame Katzen. Sie können wild oder sanft, zutraulich oder spröde sein. Wir lieben sie um dieser Vielfalt willen und es ist kein Zufall, welche Rasse von welchem Menschen bevorzugt wird. Es heißt sogar: "Sag mir, welche Katze du hast, und ich sage dir, wer du bist!"

Die Perserkatze, das Luxusgeschöpf. Seidiges Langhaar, Trägheit im Blick, die Nase wie vom Schönheitschirurgen geformt, eine Perserkatze trägt das Flair des Orients in sich. Sie hat Rasse, Klasse - und auch ihren Preis. Nicht nur in der Anschaffung, auch im täglichen Leben, denn Perserkatzen futtern nur in winzigen Portionen, da aber ausschließlich das Beste vom Besten. Sie sind nicht nur kapriziös, ihre sensible Natur verlangt tatsächlich nach hochpreisiger Schonkost wie Lachs, Fasan oder Bachforelle. Perserkatzen sind wetterfühlig und sensibel, sie brauchen Luxus. Ein schöner Kratzbaum muss ebenso sein wie der Seidenpolster für geruhsame Stunden und das edle Geschirr für die Mahlzeiten. Die schönen Langhaarigen sind bevorzugte Lebensgefährten für Menschen mit einem Hang zum Luxus.

Die Siamkatze, eine Plaudertasche. Im Königreich Siam galten die edlen Blauäugigen mit der dunklen Gesichtsmaske als so heilig, dass jenen, die sie außer Landes schmuggeln wollten, die Todesstrafe drohte. Eine Aura des Göttlichen umgibt die Siamkatze auch heute noch - dafür sorgt sie schon selbst.

Siamkatzen gelten als unberechenbar - tatsächlich sind sie aber nur sehr willensstark und unabhängig. Wer tolerant genug ist, diese Eigenschaften zu schätzen, der findet in ihr eine aufregende und treue Partnerin. Was das Futter und die Umgebung betrifft, so ist die Siamkatze anspruchslos. Sie bewahrt auch in einfachen Verhältnissen ihre aristokratische Würde. Was sie fordert ist nicht Luxus, sondern Respekt. Bewunderung nimmt sie huldvoll entgegen. Unterwürfigkeit empfindet sie als Beleidigung. Arroganz ist ihr fremd. Siamkatzen plaudern gern und viel, sie sparen auch nicht mit Zärtlichkeiten. Fazit: Sie ist ideal für kommunikative Charaktere, die gerne mit einem königlichen Wesen zusammenleben.

Die Norwegische Waldkatze: eine edle Wilde. Sie sieht aus wie eine Wildkatze und ist es auch tief in ihrem Innern. Sie ist langhaarig und mit einer Mähne, die jedem Löwen zur Ehre gereichen würde. Sie hat einen unergründlichen Blick, der vor allem freiheitsliebende Menschen anspricht. Andere Katzen mögen sich mit einem Dasein als "Hausgenosse" begnügen, die Norwegerin muss hinaus, und zwar jede Nacht und bei jedem Wetter. Während der Pelz der Perserkatze zum Verfilzen neigt und dementsprechend viel Pflege braucht, trotzt die Haarpracht der Waldkatze Wind und Wetter.

Die Norwegerin ist sehr unabhängig. Umso mehr fühlen sich ihre menschlichen Mitbewohner geehrt, wenn sie bereit ist, Zärtlichkeiten auszutauschen. Auch da erweist sie sich als besondere Persönlichkeit. Denn genau so groß wie ihr Freiheitsdrang ist auch ihre Fähigkeit zur Hingabe. Ein sehr großherziger Mensch wird gut mit ihr auskommen.

Maine Coon: eine Herzdame mit Poesie. Hemingway war ganz verliebt in diese Katzenart - wenn er der Welt überdrüssig war, suchte er die Gesellschaft seiner Maine Coons, sie durften auch bei ihm sein, wenn er schrieb. Die Maine Coon ist eine Amerikanerin und der Idealtyp des "patenten Kerls". Angeblich stammt sie von den sechs Angorakatzen der französischen Königin Marie Antoinette ab. Die Tiere wurden am Vorabend der Französischen Revolution auf ein Schiff nach Amerika gebracht. Ihrer Herrin ist die Flucht ja leider nicht gelungen. Die Main Coon hat halblanges Fell, sie erreicht eine stattliche Größe und besitzt viele gute Eigenschaften: Sie ist treu, häuslich und dennoch eine gute Jägerin. Einzelgänger mit poetischer Ader spricht sie - als unabhängige und doch sehr anhängliche Gefährtin - ganz besonders an.

Viele der beschriebenen Charaktereigenschaften gibt es natürlich in zahlreichen Abstufungen und sie finden sich auch bei "verwandten" Katzenarten.

Der große Leonardo da Vinci meinte einst: "Selbst die kleinste Katze ist ein Wunderwerk."

Modeschöpfer Giorgio Armani ist Katzen deshalb zugetan, weil sie seiner Meinung nach Eigenschaften besitzen, die er auch an Frauen schätzt: "Eleganz, Unabhängigkeit, Charakter - und ihre Unerziehbarkeit."

Katzen werden vor allem von Menschen geschätzt, die sich ihnen - zumindest ab und zu - auch unterordnen können. Das heißt, dass der echte und gute Katzenbesitzer eigene Ansprüche auch unter die seiner animalischen Begleiter stellen kann.

Kann man Katzen erziehen? Im Gegensatz zum "Rudeltier Hund", das in einer hierarchisch strukturierten Rangordnung gemeinsam mit seinen Artgenossen jagt und die Beute teilt, ist die Katze ein Individualist und Solojäger. Katzen mussten sich im Laufe ihrer Evolution nie einem Leittier unterordnen. Gehorchen und Dressurregeln befolgen, das haben sie nie gelernt. Deshalb - und sicher nicht aus "Arroganz" - werden Befehle des Menschen ignoriert. Mensch und Katze können sich jedoch auf gemeinsame Spielregeln einigen. Dies kann, zumindest bis zu einem gewissen Grad, gelingen. Das Zauberwort dabei lautet: Konsequenz.

Was heute verboten ist, sollte auch morgen verboten sein. Widersprüchliche Regeln führen zu unnötiger Verwirrung. Für ausschließlich in der Wohnung gehaltene Katzen ersetzen "gesperrte" Bereiche die Reviergrenzen der frei laufenden Artgenossen. Und gelegentlich sind Verbote auch notwendig, damit sie übertreten werden können, dies ist die Meinung mancher Katzen- Experten. Das heißt: Herausforderungen trainieren die Intelligenz der Katzen.

Ein Beispiel: Bobby, der Langhaarkater, weiß genau, dass er im Korb mit der Bügelwäsche nichts zu suchen hat. Dies hält ihn aber nicht davon ab, vor den Augen seines Frauchens mit einem eleganten Sprung in die weißen, gebügelten Hemden zu springen und frech "aus der Wäsche zu schauen". Diese Aktion der Katze sollte eine pädagogische Herausforderung für den Katzenbesitzer sein, denn nichts ist für eine Katze frustrierender als eine ins Leere laufende Provokation.