Detailprobleme zwischen USA und Indien verhindern einen Erfolg. | Mandelson: Schuld nicht bei der EU. | Genf/Wien. Neun Tage lang hatten die Handelsminister der 35 wichtigsten Interessensgruppen in der Welthandelsorganisation WTO fast rund um die Uhr verhandelt. Noch am Wochenende schien ein Durchbruch zum Greifen nahe. In der Nacht auf Mittwoch scheiterten die Gespräche allerdings erneut - an einem Detailproblem zwischen Indien und den USA.
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EU-Handelskommissar Peter Mandelson, der die Verhandlungen für die Union leitete, sprach zwar offiziell von einem "kollektiven Versagen". Er ließ aber klar durchblicken, dass die Schuld keinesfalls bei der EU zu suchen sei.
Von einem "schweren Rückschlag" und, angesichts der schwierigen Lage der Weltwirtschaft, "falschen Signal zum falschen Zeitpunkt" sprach der österreichische Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Er forderte neue Strukturen ohne Einstimmigkeitsprinzip unter den 153 Mitgliedsländern der WTO.
Indien will 600 Millionen Kleinbauern schützen
Der indische Ressortleister Kamal Nath hatte zuvor bis zuletzt auf einer Klausel zum Schutz von rund 600 Millionen Kleinbauern auf dem Subkontinent beharrt. Zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit wollte Delhi im Falle von Marktstörungen - wie massiven Importen von Agrarprodukten - die Zölle drastisch erhöhen dürfen. Damit sollte das wirtschaftliche Überleben der Bauern und damit die Selbstversorgung Indiens mit Nahrungsmitteln gesichert werden.
Die USA zeigten kein Verständnis für Naths Justament-Position, laut der die Schwelle für die Marktstörungen recht niedrig angesetzt werden sollte. Es sei widersinnig, dass sich die Verhandlungen in Zeiten hoher Lebensmittelpreise am Ende darum drehten, wie rasch Hürden für Nahrungsmittelimporte errichtet werden dürften, meinte die US-Verhandlungsführerin Susan Schwab. Es habe sich um ein enttäuschendes Treffen gehandelt.
Peter Mandelson ortete sowohl in Delhi als auch in Washington einen mangelnden politischen Willen zum Abschluss. Es handle sich um eine "Koalition der Unwilligen", soll er gegenüber EU-Ministern gesagt haben. Die Union habe mit ihrem Angebot über das Auslaufen der laut WTO verbotenen Exportförderungen für Agrarprodukte bis 2013 sowie der Reduzierung der anderen handelsverzerrenden Landwirtschaftsförderungen um bis zu 80 Prozent ihr Möglichstes getan.
Einigung in 95 Prozent der Kernbereiche
Am Wochenende konnte nach jahrelangem Streit sogar eine Einigung über die stufenweise Absenkung der EU-Zölle für Bananen aus Lateinamerika gefunden werden. Die USA signalisierten ihrerseits Entgegenkommen bei der Gewährung von Visa für Geschäftsleute - eine Kernforderung der Schwellenländer.
In fast 95 Prozent der Kernbereiche seien Kompromisse gefunden worden, hieß es. Dabei geht es vor allem um den möglichst barrierefreien Marktzugang für Agrarprodukte aus den Schwellenländern wie Brasilien oder Uruguay in den Industrieländern einerseits und geringe Hürden für den Export von Industriegütern in Schwellenländer andererseits. **
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