Georgien beantragt bei USA bis zu 2 Mrd. Dollar an Aufbauhilfe. | Keine Auswirkung auf Nabucco-Projekt. | Wien. Der scharfe Ton zwischen dem Westen und Russland wegen des Kaukasus-Konflikts ließ am Freitag die Ölpreise wieder über die Marke von 120 Dollar steigen. Nach der Kritik des Westens an dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien hatte Russland am Donnerstag die militärische Zusammenarbeit mit der Nato auf Eis gelegt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Am Markt wurde wohl angenommen, dass die Spannungen schneller beigelegt würden", sagte Analyst Jason Feer vom Energieberatungsunternehmen Argus Media. Im frühen Handel kostete ein Fass (159 Liter) der US-Referenzsorte West Texas Intermediate zur Auslieferung im Oktober 121,28 Dollar (81,87 Euro).
Der Krieg mit Russland setzt Georgien, Schlusslicht in der Region, wirtschaftlich weiter zu. Zehntausende Flüchtlinge sind zu versorgen. Die Kriegsschäden an Straßen, Häfen, Schulen und Häusern liegen bei 800 Mio. Dollar (537 Mio. Euro) oder zehn Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts, so das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW).
Die Regierung in Tiflis hat daher bei der US-Regierung um Wirtschaftshilfen in der Höhe von bis zu zwei Mrd. Euro angesucht. "Der Antrag wurde für die Wiederherstellung und Entwicklung der Infrastruktur gestellt", erklärte Henrietta Fore von der Aufbauhilfe-Agentur USAID am Freitag.
Schiffe liegen fest, Pipelines unversehrt
Der wichtige georgische Exporthafen Poti am Schwarzen Meer, der mit US-Hilfe aufgebaut wurde, ist durch die Bombardements blockiert. Schiffe mit Exportgütern, darunter Öllieferungen aus Aserbeidschan, liegen fest. Insgesamt scheinen die russischen Kampfpiloten genaue Anweisungen gehabt zu haben: Pipelines durch Georgien, etwa die BTC-Ölpipeline von Baku über Tiflis zum türkischen Hafen Ceyhan, blieben verschont. Vor dem Kaukasuskrieg war die BTC-Pipeline wegen eines Brandes in der Türkei unterbrochen worden. In rund einer Woche will die Betreibergesellschaft BP den Öltransport aber wieder aufnehmen.
Bei anderen Pipelines auf georgischem Gebiet wurde der Transport vorübergehend unterbrochen, die Leitungen blieben aber unversehrt. Auf das Pipeline-Projekt Nabucco, das die Gasversorgung Europas sichern soll, soll sich der Kaukasus-Konflikt nicht auswirken. Es gebe keine Anzeichen für eine Verlangsamung des Projekts, sagte der Chef der Projektgesellschaft Nabucco, Reinhard Mitschek.
Bereits 2006 hatte Russland Georgien mit dem Handelsembargo auf Wein und Mineralwasser wirtschaftlich unter Druck gesetzt. "Offiziell war es die schlechte Qualität, aber es gibt wegen der Konflikte um Südossetien und Abchasien und der Nato-Ambitionen Georgiens Gründe für politische Motive", erklärt Peter Havlik, Vize-Chef des WIIW.
Wein und Mineralwasser sind wichtige Exportwaren für das zu 30 Prozent von der Landwirtschaft abhängige Georgien.
Nachhaltige Erfolge auf dem Weg zur Marktwirtschaft blieben Georgien bisher versagt. Allerdings hat die Regierung Korruption im Polizeiapparat und auf höherer Ebene vergleichsweise erfolgreich bekämpft. Eine Privatisierungspolitik wird seit 2004 verfolgt, Importzölle wurden abgeschafft. Ausländische Direktinvestitionen wurden dadurch gefördert, beschränken sich aber derzeit im Wesentlichen auf die großen Pipelines.
Von einem breiten industriellen Aufschwung ist noch keine Rede. Die Industrieproduktion beträgt 40 Prozent des Niveaus der Sowjetzeit. Die Brutto-Monatslöhne erreichen durchschnittlich knapp 130 Euro. Mit offiziell 13 Prozent Arbeitslosigkeit ist Georgien Schlusslicht in der Region. Georgier, die in Russland arbeiten, schicken rund 600 Mio. Euro im Jahr nach Hause. Georgiens Wirtschaft ist zu zehn Prozent von Emigranten abhängig.
Werden Südossetien und Abchasien selbständig, schrumpft der georgische Wirtschaftsraum.