Unser Blatt war schon ab 1933 ein Sprachrohr der Dollfuß-Regierung: Über die Berichterstattung in österreichischen Zeitungen.
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In der Druckerei der "Wiener Zeitung" stand kurzzeitig die Rotationspresse still. Im nahen Stephansdom, wo die Regierung gerade einen Gottesdienst feierte, flackerte gegen halb 12 Uhr Mittag das elektrische Licht und fiel dann ganz aus. Auch im Zimmer des Jus-Studenten Bruno Kreisky, der für Prüfungen lernte, erlosch die Lampe. "Da hatte ich gleich das Gefühl, dass etwas los sei", so Kreisky in seinen Erinnerungen zum 12. Februar 1934. Die Arbeitsniederlegung im Wiener Elektrizitätswerk galt als Zeichen für den Generalstreik.
In den frühen Morgenstunden dieses Tages hatte die Heimwehr (als Hilfspolizei der Regierung) im Linzer Arbeiterheim Hotel Schiff nach Waffen gesucht. Die Schutzbündler, seit dem Verbot 1933 illegal, wehrten sich. Es fielen die ersten Schüsse. Im ganzen Land griffen daraufhin Arbeiter zu den Waffen.
Doch der Generalstreik griff nicht überall. Der Anblick hell erleuchteter Bahnhöfe mit ein- und ausfahrenden Zügen musste den Arbeitern schon sehr bald vor Augen halten, dass der Kampf so gut wie verloren war.
In der Redaktion der "Wiener Zeitung" in der Bäckerstraße fiel an diesem Montag der Kraftstrom aus, sodass das Montags-Blatt mit Verspätung erschien. Aufmacher war ein "Regierungsappell in ernstester Stunde". Eine zusätzliche Sonderausgabe am selben Tag, produziert mit Hilfe einer für den Notfall installierten Dieselanlage, verlautbarte: "Ruhe in Linz hergestellt". Und: "Regierung - Herrin der Lage". Unten auf der Titelseite prangte in fetten Lettern die "Kundmachung des Standrechtes". Das bedeutete, dass jedem, der sich am bewaffneten Widerstand gegen die Exekutive beteiligte, die Todesstrafe drohte.
Traurige Bilanz nach den Tage dauernden Kämpfen: offiziell über 300 Tote, darunter 128 aus der Exekutive und neun standrechtlich hingerichtete Schutzbündler. Schätzungen rechnen jedoch mit mehr als 1000 Toten und tausenden Verwundeten.
Die "WZ"-Nummer vom 20. Februar, der zum "Volkstrauertag" ausgerufen wird, ist den Opfern innerhalb der Exekutive gewidmet. Kein Wort der Trauer aber für die toten Gemeindebaubewohner, auf die das Bundesheer schweres Geschütz richtete. Kein Wort darüber, dass Schutzbundkommandant Karl Münichreiter schwerst verletzt zum Tode verurteilt und auf der Bahre zum Galgen getragen wurde. Kein Wort von den zahlreichen Verwundeten, die aus Angst vor Verhaftung nicht ins Spital gehen konnten, was teils tödliche Folgen hatte.
"Ganze Arbeit leisten . . ."
Die Zeitung strotzte stattdessen vor propagandistischen Formulierungen wie dieser aus dem Leitartikel vom 13. Februar: "In einer der kritischesten Stunden des österreichischen Vaterlandes haben Sozialdemokraten die Fahne des Aufruhrs entrollt, sind bewaffnet der Staatsgewalt entgegengetreten und haben somit ihrer schändlichen Katastrophenpolitik die blutige Krone aufgesetzt." Im selben Text ist zu lesen: "Nun muß ganze Arbeit geleistet werden, nun muß den roten Staatsfeinden überall das Handwerk gründlich gelegt werden." Das erinnert allzu stark an die Worte des Vizekanzlers und Heimwehrführers Emil Fey, der am Vortag der Februarkämpfe gesagt hatte: "Wir werden morgen an die Arbeit gehen und wir werden ganze Arbeit leisten (...)."
Die Zeitung ist voll auf Regierungskurs, inhaltlich wie rhetorisch. Aber auch in anderen Blättern ist keine Kritik an der Vorgehensweise gegen die bei weitem unterlegenen Schutzbündler zu lesen. Dass die Arbeiter auch gegen den Verfassungsbruch der Dollfuß-Regierung protestierten, wird ebenso verschwiegen.
Wie zu Metternichs Zeiten
Mit der Pressefreiheit war es in Österreich schon 1933 nicht mehr weit her. Eine erste Grundrechtsverletzung, die die Dollfuß-Regierung setzte, war die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Schon am 7. März 1933, nur Tage nach der Lahmlegung des Parlaments, wurde mit Hilfe einer Notverordnung aus dem Ersten Weltkrieg ("Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz" 1917) eine Presseverordnung herausgegeben. Unter dem Deckmantel der wirtschaftlichen Sicherheit führte man de facto eine Vorzensur ein. Unter bestimmten Umständen "kann der Bundeskanzler (...) anordnen, daß die Pflichtstücke [einer] Zeitung zwei Stunden vor Beginn der Verbreitung abzuliefern sind".
Es folgten zahlreiche weitere Schritte, um kritische Stimmen, allen voran die "Arbeiter-Zeitung", zum Schweigen zu bringen. Bald durfte das Zentralorgan der Sozialdemokratie nicht mehr auf der Straße verkauft, sondern nur noch an Abonnenten per Post zugestellt werden. Das oppositionelle Blatt erschien außerdem immer öfter mit weißen Flecken, der Unmut seiner Leserschaft - auch gegen die eigene wehrlose Führung - wuchs. Das Verbot der Sozialdemokratischen Partei nach dem 12. Februar 1934 betraf schließlich auch die "Arbeiter-Zeitung". In der Folge wurde sie (aber nicht mehr täglich) in der Tschechoslowakei gedruckt, nach Österreich geschmuggelt und - im Rucksack, per Fahrrad oder zu Fuß - an den Mann und die Frau gebracht. Die erste Ausgabe nach dem Verbot erschien am 25. Februar in Brünn mit dem Aufmacher "Nach dem Kampf!". Vom Exil aus versuchte man mit verstärkt kämpferischem Ton, die Sozialdemokraten im Untergrund aufeinander einzuschwören.
Offiziell sprach die Dollfuß-Regierung zwar nie von Zensur - trotzdem herrschten bald Zustände wie zu Metternichs Zeiten. Dass über die Februar-Ereignisse kein Blatt kritisch schrieb, liegt daran, dass schon vorher die Pressefreiheit Schritt für Schritt eingeschränkt worden war. Linientreue Zeitungen wie die christlichsoziale "Reichspost" berichteten ohnehin im Sinne der Machthaber. Aber auch die "Neue Freie Presse" agierte ähnlich; das Blatt befand sich damals bereits auf dem Weg, zu 100 Prozent von der Regierung übernommen zu werden.
Die Situation in der "Wiener Zeitung" als offiziellem Staatsblatt war eine besondere: Im Frühjahr 1933 wurde der damalige Chefredakteur Rudolf Holzer zu Bundeskanzler Dollfuß zitiert. Holzer, ein humanistisch gesinnter Bürgerlicher mit Schwerpunkt auf Bildung und Kultur, kam als Chef eines politischen Kampforgans, das die "Wiener Zeitung" werden sollte, nicht mehr in Frage. Er musste seinen Posten räumen. Die redaktionelle Leitung übernahm nun Ferdinand Reiter.
Dollfuß wünschte eine "Ausgestaltung" der "Wiener Zeitung" zum Propaganda-Organ. Der Umfang wurde vergrößert, die kleine Redaktion aufgestockt. Es liegt auf der Hand, dass man regimetreue Leute heranzog. Aber auch Altgediente blieben. Holzer durfte weiter auf Basis freier Mitarbeit im Feuilletonteil schreiben.
Schüler des "alten Uhl"
Der Ton, der ab nun herrschte, war ein völlig anderer als unter Holzer, der noch beim alten Friedrich Uhl, Chefredakteur von 1872 bis 1900, gelernt hatte. Der große Zeitungsmann Uhl hatte auf einen sachlichen, diplomatischen Stil gepocht, wie er der damals kaiserlichen "Wiener Zeitung" würdig war. Das sorgsame Abwägen jedes Wortes sowie sprachliche Brillanz, die auch Holzer am Herzen lagen, waren nun nicht mehr gefragt. Die propagandistischen Texte, wie damals generell üblich nicht namentlich gezeichnet, kamen teilweise direkt von der Regierung. Laut Reiter schrieb in der Regel zwar die Redaktion die Leitartikel, doch: "Bei wichtigen Anlässen erschienen Aufsätze von Ministern oder ,von berufener Seite‘, die entweder vom Regierungschef selbst oder von maßgeblichen Männern des Regimes verfasst worden waren." Auch Rundfunk-Reden von Regierungsmitgliedern, ein völlig neues Instrument der Politik, standen im Februar 1934 Wort für Wort in der "Wiener Zeitung".
Doch mitunter lassen sich, wenn man will, in unserem Blatt auch versöhnlichere Töne vernehmen. Zum Beispiel am 20. Februar im Kulturteil. Von dem im Raimundtheater gezeigten Stück des irischen Dramatikers Sean O’Casey über das Elend einer Dubliner Proletarierfamilie heißt es: "Diese Menschen leben, um zu kämpfen, und kämpfen, um zu leben." Autor: "R. H." - Rudolf Holzer.
Leserinnen und Leser der "Wiener Zeitung" mussten in dieser Ära schon ein besonderes Gespür dafür entwickeln, zwischen den Zeilen zu lesen.