Japan ist anders. Dieser Eindruck drängt sich dem europäischen Reisenden in jedem Lebensbereich auf, so auch im Straßenbild und im öffentlichen Verkehr. Da das Platzangebot generell knapp ist und die Großstädte in zunehmendem Maße vom Verkehrsinfarkt bedroht sind - Japan gehört zu den am dichtesten bevölkerten Ländern der Welt - sind ausgeklügelte öffentliche Verkehrskonzepte gefragt, aber auch Kei-Minicars und Hybridautos.
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In Japan herrscht zum ersten extrem viel Verkehr, zum zweiten immer Verkehr und zum dritten Linksverkehr. Das der Verkehrsinfarkt trotzdem die Ausnahme ist, liegt an der Disziplin der Bevölkerung, an den ausgefeilten Bahn-, U-Bahn- und Bussystemen und nicht zuletzt an innovativen Rezepten im Straßenverkehr.
Disziplin und Höflichkeit der Japaner sind sprichwörtlich und zeigen sich beim Warten auf Bus und U-Bahn und auch im Straßenverkehr. Fußgänger warten geduldig und oft minutenlang an großen Kreuzungen und auch Autofahrer halten sich in der Regel an Ampeln und Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Generell funktioniert die Abwicklung des öffentlichen Verkehrs im Land hervorragend. Das Netzwerk ist flächendeckend, Pünktlichkeit, häufige Intervalle und ein ausgezeichneter Service garantieren die Beförderung der großen Menschenmassen - alleine im Großraum Tokio leben rund 30 Millionen Menschen, von denen der Großteil regelmäßig öffentliche Verkehrsmittel benutzt.
Überland bieten viele, teils private Bahnen ihre Dienste an, von denen der Shinkansen als einer der schnellsten Hochgeschwindigkeitszüge der Welt weit über die Grenzen Japans bekannt ist. Die Züge fuhren schon 1964 mit Geschwindigkeiten um 200 km/h, heute werden Geschwindigkeiten von über 300 km/h erreicht. Auf der Fahrt von Tokio nach Kyoto fallen neben Vorteilen wie Komfort, Service und Zeitersparnis (zweieinhalb Stunden für 450 km) nur zwei Nachteile ins Gewicht: der Preis (Schalterkauf mit Platzreservierung rund 100 Euro) und die bescheidene Aussicht auf die schemenhaft vorbeihuschende Landschaft.
Auf den oft verstopften Straßen der Großstädte bietet sich ein facettenreiches, buntes Bild. Auffallend ist neben der Vielzahl an grünen Bussen in Tokio das Heer an Taxis, meist in Schwarz oder Gelb gehalten. Als ortsfremder Ausländer ist man in den gut in Schuss gehaltenen hubraumstarken Toyota-Limousinen älteren Baujahrs außerhalb der Stoßzeiten meist gut unterwegs. Chauffiert wird im Anzug, mit weißen Handschuhen und mit etwas Glück stößt man auch auf einen Fahrer, der früher einmal Fremdenführer war. Die Taxis sind zwar nicht billig, bieten aber für Japan-Neulinge zwei angenehme Überraschungen: Zum einen öffnen und schließen die hinteren Türen automatisch, zum anderen ist Trinkgeld im Preis inbegriffen.
Nicht weniger auffallend ist die große Zahl an "Minicars", japanisch kei jidosha, die vor allem in den urbanen Räumen, aber auch auf dem Land unterwegs sind. Die "Kei-Cars" haben einen maximal 660 Kubikzentimeter-Motor eine Länge von höchstens 340 Zentimetern und stellen in Japan eine eigene Fahrzeugkategorie, der in Europa gerade einmal der Smart entspricht.. Der Gesetzgeber sorgt mit zahlreichen Steuernachlässen und Vergünstigungen dafür, dass sich in der Stadt der Kauf der automobilen Winzlinge lohnt. Wer ein "Kei-Car" kauft, muss beispielsweise den üblicherweise vorgeschriebenen eigenen Parkplatz nicht vorweisen. Gekauft werden die Kei-Cars von fast allen Segmenten der Bevölkerung, besonders aber von Frauen - sie stellen rund 70% der Käufer. In jüngster Zeit steigt aber auch ihre Akzeptanz in der japanischen Männerwelt, gibt es doch auch in den Kei-Cars zunehmende viel High-Tech an Bord, nicht zu vergessen Vierrad- und PS-starke Sportversionen.
Keiner der führenden Autohersteller im Land leistet es sich heute, auf dieses boomende Segment zu verzichten. Aktuell werden jährlich in Japan rund 2 Millionen Autos in dieser Kategorie, das sind rund 30% des gesamten PKW-Marktes, verkauft.
Honda, Mazda, Mitsubishi, Subaru, jedoch besonders Toyota-Konzerntochter Daihatsu und Suzuki liefern das volle Programm an Karosserievariationen auch im Miniformat - insgesamt zählt der japanische Markt weit mehr als 30 Modelle und 100 Modellvarianten - hoch gewachsene und weit verbreitete Vier- und Zweitürer wie den etablierten Honda Life, Kreuzungen zwischen Van, Stadtauto und Offroader wie den Daihatsu Terios Kid, Möchte-gern-Offroader wie den Mitsubishi Pajero Mini oder zweisitzige Cabrios wie der auch bei uns erfolgreiche Daihatsu Copen.
Marktführer in der 660 Kubikmeter-Klasse ist Suzuki, der Hersteller, der mittlerweile vor mehr als 10 Jahren mit der Einführung des Wagon R+ den Trend begründete.
Die Kei-Cars werden in der Regel (einige vierkolbige Subarus und Mitsubishis ausgenommen) von hochdrehenden Dreizylinder-Benzinmotoren angetrieben. Diese leisten als Sauger im Mittel etwa 55, mit Turboaufladung um die 65 PS. Die Preise liegen zwischen 7.500 Euro und 13.000 Euro (Yen-Kurs: 128 Yen/Euro). Fast immer serienmäßig mit dabei ist die Klimaanlage - notwendig im schwül-heißen japanischen Sommer - und die in Japan allzeit geschätzte Automatik (Einbaurate: 80 Prozent).
Vorsprung bei Hybridantrieb
Neben den Kei-Cars kommt auch einer weiteren Fahrzeugkategorie in Japan eine Sonderstellung zu: den Hybrid-Autos. Vielen Experten zufolge haben die japanischen Entwickler bei dieser vielleicht wichtigsten aktuell realisierbaren Antriebsinnovation der letzten 40 Jahre einen Marktvorsprung von mindestens fünf Jahren gegenüber europäischen oder US-amerikanischen Herstellern.
Dominiert wird der japanische Markt von dem auch bei uns bekannten Toyota Prius sowie dem Honda Civic IMA. Beide kombinieren die Vorteile von Verbrennungs- und Elektromotor, sind mit Abstand die sparsamsten und umweltfreundlichsten Benzinautos ihrer Klasse und unterbieten sogar viele Kleinwagen im Verbrauch.
Der größte Hersteller, Toyota, will laut einer aktuellen Ankündigung bis etwa 2010 jährlich eine Million Hybrid-Fahrzeuge verkaufen. Für das laufende Jahr gehe Toyota von 300.000 verkauften Hybrid-Fahrzeugen aus, erklärte Toyota-Präsident Fujio Cho kürzlich bei einer Pressekonferenz zur Markteinführung der Hybrid-Geländewagen "Harrier" und "Kluger" in Japan. Vor dem Hintergrund des hohen bzw. steigenden Ölpreises könnten die Verkaufszahlen noch weit höher ausfallen.
Der seit Anfang 2004 in Europa verkaufte Toyota Prius hat einen Benzinmotor mit 78 PS und einen Elektromotor mit 68 PS, die beide zusammen eine maximale Leistung von 113 PS erbringen können. Das kombinierte maximale Drehmoment beider Motoren beträgt 478 Nm, der Normverbrauch beträgt nur 4,3 Liter af 100 km.
Einziges Hybrid-Konkurrenzprodukt für den Prius ist zurzeit der Honda Civic IMA (Integrated Motor Assist), der auf einen Normverbrauch von 4,9 Litern kommt und ebenfalls seit Anfang 2004 in Europa auf dem Markt ist. Die kombinierte Leistung von Verbrennungsmotor und Elektromotor beträgt beim Civic IMA 90 PS, das kombinierte maximale Drehmoment beider Motoren beläuft sich auf 159 Nm bei bereits 1000 U/min.
Welche Verkehrsmittel die Zukunft beherrschen könnten, zeigt unter anderem die aktuelle Expo 2005 in Aichi nahe der Millionenstadt Nagoya. Auf dem Gelände tummeln sich spacige dreirädrige Fahrradtaxis, batteriebetriebene Bahnen ("Global Trams"), sowie futuristisch anmutende, fahrerlose Erdgasbusse und die innovative Magnetbahn "Linimo".
Dass althergebrachte Fortbewegungsmittel aber immer noch den meisten Spaß machen, sieht man im Österreich-Pavillon. Dort fahren die japanischen Besucher auf der Teflon-Rodelbahn begeistert miteinander um die Wette.