Migranten bekommen im heimischen Unterhaltungsfernsehen kaum Platz. Was sind die Gründe?
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"Mit unserer Sendung 'Saturday Night Fever‘ bilden wir die Realität ziemlich gut ab." Martin Gastingers Aussage hallt noch nach, während sich das Bild von betrunken autofahrenden und sich beflegenden Jugendlichen im Kopf einnistet. Gastinger ist ATV-Geschäftsführer und in einer Podiumsdiskussion zu "Diversität im Unterhaltungsfernsehen" bei der MedienMesse Migration in Wien geladen. Teenager mit Migrationshintergrund würden über das Reality-Soap-Format auf natürlichem Wege Raum bekommen, sagt Gastinger. Die Entscheidung, sie einzubinden, sei nicht bewusst getroffen worden. Am Podium sind auch Vertreter der Konkurrenz: ORF- Sendungsverantwortlicher Bernhard Natschläger und Oliver Svec, Programmdirektor bei PULS TV.
"Ungezwungener Umgang" mit Diversität
PULS TV erfülle die Aufgabe, mehr ethnische Diversität auf die Mattscheibe zu bringen, mit einem umfassenden Konzept. Als Beispiel nennt Svec die Casting-Show "Austria's Next Top Model" (ANTM). Die Gewinnerin der zweiten Staffel hat türkische Wurzeln, die Sierin der vierten Staffel nigerianische. Man habe außerdem vier Jungstars - allesamt mit Migrationshintergrund - zu Testimonials für eine Imagekampagne auserkoren. Neben Jahrhundertkicker David Alaba lachte unter anderem auch die Niederösterreicherin und ANTM-Gewinnerin Lydia Obute, von Werbeplakaten des Senders. Wie Gastinger betont auch Svec den "ungezwungenen Umgang" des Senders mit Diversität.
"Damit machen Sie es sich aber viel zu einfach", so Fritz Hausjell, Kommunikationswissenschafter der Universität Wien und Moderator der Runde. So nebenbei würde eine solche Entwicklung nicht gelingen. Dazu brauche es mutige und zum Teil provokante Ansätze. "Wir gehen bei der Programmgestaltung weniger provokant als mutig vor und entscheiden uns für Sendungen, die die Zuseher interessieren könnten." Es sei keine strategische Entscheidung, sagt der Programmchef. Das Motto laute hier: "Solange es Zuseher gibt, wird es eine Sendung geben."
ATV startet neue Soap
Eine neue Chance für ein realistischeres Abbild der Gesellschaft hat nun ATV. In der Daily-Soap "Wien - Tag und Nacht" - dem laut Medienberichten teuersten Projekt des Senders - bewohnen fünf Laienschauspieler die "Geilste WG" des Landes. Für den Cast seien auch Protagonisten mit Migrationshintergrund vorgesehen, sagt Sabine Oberzaucher, zuständig für Produktion und Programmentwicklung bei ATV, auf Anfrage.
Positiv- und Negativbeispiele im ORF
Kulturelle Vielfalt ist nicht zuletzt eine Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Auftrags. Die Umsetzung des ORF ist in der Vergangenheit mal gut, mal weniger gut gelungen. Etwa näherte man sich dem Thema in einer Tatort-Folge, in der es um die Errichtung einer Moschee in Tirol ging. In Österreich war gerade eine hitzige Debatte zum Minarett-Verbot entbrannt, was der ORF für eine Diskussionssendung nach der Sendung nutzte.
Medienwissenschafter Hausjell spricht auch Defizite und verpasste Gelegenheiten an. Bei zwei Sendeformaten habe es der ORF verabsäumt, Zuwanderer als Teil der Lebensrealitäten abzubilden. "Taxi Orange" wäre eine gute Möglichkeit gewesen, weil das Berufsfeld als klassischer "Migrantenjob" gelte. Auch bei der nach kurzer Zeit abgesetzten Sitcom "Mitten im 8ten" habe man sich nicht um Darsteller mit Migrationshintergrund bemüht. "Es gibt Nachholbedarf", räumt ORF-Sendungsverantwortlicher Bernhard Natschläger ein. Das Defizit bestehe, aber man habe mehr Ideen als Aufträge. "Inhaltlich versuchen wir jede Sendung beim nächsten Mal besser zu machen." Das ließe sich gut bei Konzepten mit Migranten als Hauptdarsteller demonstrieren, wirft Hausjell in die Runde. Der ORF sei dazu durchaus geneigt. Es scheitert wie so oft am Budget.
Studie: Migranten nur als Problem im Fernsehen
Dass sich Einwanderer im Fernsehen kaum oder schlecht repräsentiert fühlen, zeigte eine im vergangenen Jahr unter der Leitung von Fritz Hausjell durchgeführte Public Value Studie für den ORF. Meist würden sie als Problem in der Gesellschaft oder Politik dargestellt. Positive oder neutrale Inklusion: Fehlanzeige. Experten und Journalisten mit Migrationshintergrund kommen hauptsächlich zu Migrationsfragen zu Wort, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Erfolgreichen Migranten in erster oder gar zweiter Generation würde der "Ballast" der Herkunft noch lange umgeschnallt, stets würden sie auf ihre Wurzeln reduziert. Um dem entgegenzuwirken, rät Hausjell zu Schulungsinitiativen und mehr Migranten unter den Medienschaffenden.
Fazit
Die Debatte ist löblich, da sie notwendig ist. Trotzdem wirkt sie in der heutigen Zeit vor allem in einer Hinsicht absurd: Dass man erst darüber diskutieren muss, Einwanderer als Talkshow- und Nachrichten-Moderatoren, Teilnehmer einer TV-Soap oder als Schauspieler sichtbar zu machen. Längst gehören sie zum Alltag, sind unsere Nachbarn, bringen unsere Post, backen unsere Sonntagssemmerln, fahren uns mit der U-Bahn in die Arbeit und sind unsere Chefinnen im Büro. Ein Blick auf Länder wie Deutschland oder Großbritannien, wo die Herkunft der "Fernsehmenschen" längst keine Debatte nötig hat, macht neidisch. Einen ersten Schritt machte der ORF bereits in den 1980-ern mit seiner Jugendsendung "X-Large", in der Arabella Kiesbauer als erste farbige Moderatorin Österreichs zu sehen war. Danach folgte lange nichts, das leider bis heute andauert.