Zum Hauptinhalt springen

(Kein) Anstieg bei Privatinsolvenzen

Von Günther Billes

Recht

Ein Jahr nach der Novellierung des Privatkonkurses kursieren Meldungen über einen drastischen Anstieg - tatsächlich wird deren Anzahl aber unter dem Durchschnitt der fünf vorhergehenden Jahre liegen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Vor etwas mehr als einem Jahr, am 1. November 2017, trat die Novellierung des Schuldenregulierungsverfahrens ("Privatkonkurs") in Kraft. Seither kann ein Abschöpfungsverfahren bereits nach fünf Jahren zur Restschuldbefreiung führen, ohne dass der Schuldner eine bestimmte Quote seiner Verbindlichkeiten begleichen muss. Bis dahin war eine Entschuldung im Abschöpfungsverfahren nur möglich, wenn die Gläubiger innerhalb von sieben Jahren zumindest zehn Prozent ihrer Forderungen erhielten.

Zahlreiche Medien haben in den vergangenen Tagen berichtet, dass die Privatkonkurse drastisch zugenommen hätten. Im Zeitraum 1. November 2017 bis 31. Oktober 2018 wurden gegenüber dem Vergleichszeitraum laut Alpenländischem Kreditorenverband (AKV) um rund 53 Prozent mehr Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Begründet wird dies unter anderem damit, dass der Entfall der Mindestquote für einkommensschwache Schuldner (mit relativ geringen Verbindlichkeiten) und vormalige Unternehmer (mit sehr hohen Verbindlichkeiten aus ihrer gescheiterten Selbständigkeit) den Zugang zum Konkurs erleichtere.

Leichtere Restschuldbefreiung betrifft nur den Ausgang

Die leichtere Restschuldbefreiung der genannten Personengruppen war zwar die Intention des Gesetzgebers bei der Novellierung des Privatkonkurses, sie hat aber nicht unmittelbar mit der Anzahl der eröffneten Privatkonkursverfahren zu tun - weil sie nicht die Einleitung des Schuldenregulierungsverfahrens, sondern dessen Ausgang (die Restschuldbefreiung) betrifft. Tatsächlich hat die Gesetzesänderung in keiner Weise in die Voraussetzungen für die Insolvenzeröffnung eingegriffen.

Ist eine Privatperson zahlungsunfähig, muss sie - so wie jeder Unternehmer auch - "ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit" die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen. Laut Kreditschutzverband (KSV) von 1870 wurden in den ersten drei Quartalen des Jahres 2018 insgesamt 7787 Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Der KSV geht davon aus, dass die Marke von insgesamt 10.000 Privatkonkursen für das Jahr 2018 erreicht werden wird, was ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren ist.

Schuldner warteten auf günstigere Rechtslage

2017 wurden überhaupt nur 6921 Privatkonkurse eröffnet, was aber daran liegt, dass die bevorstehende Gesetzesänderung öffentlich bekannt war und zahlreiche Schuldner offensichtlich mit ihren Eigenanträgen auf Konkurseröffnung (unerlaubter Weise) bis zum Inkrafttreten der für sie günstigeren Rechtslage zugewartet haben. Der Anstieg im Jahr 2018 stellt daher nur die Aufholung dieser Verzögerungen bei der Antragstellung dar.

Tatsächlich wird die durchschnittliche Zahl der eröffneten Privatkonkurse der Jahre 2017 und 2018 (hochgerechnet rund 8500) aber sogar unter dem Durchschnitt der fünf vorhergehenden Jahre liegen (Jahresdurchschnitt 2012 bis 2016: circa 8760). Gibt es aufgrund der Reform also keinen Anstieg, sondern gar einen Rückgang der Privatinsolvenzen? Nein, denn in Wahrheit kann man ein Jahr nach Inkrafttreten der neuen Rechtslage weder das eine noch das andere seriös behaupten.

Die Kritiker der erleichterten Restschuldbefreiung durch die Abschaffung der Mindestquote sahen darin quasi eine Einladung an Privatpersonen zum sorglosen Schuldenmachen, weil man sich ja ohnedies jederzeit durch ein Abschöpfungsverfahren wieder entschulden kann. Ob sich das in der Realität bewahrheitet, wird man aber ebenfalls erst in einigen Jahren seriös beurteilen können.