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"Kein Bedarf für Balalaika und Lotto"

Von Walter Hämmerle

Politik

Absage an Rente mit 67 und Kürzungen für Kinderlose. | Von breiter Mehrheit für Elite-Uni in Gugging überzeugt. | EuGH: Jann statt Stix-Hackl aus Sorge um Kontinuität der Rechtsprechung. | "Wiener Zeitung": Die Politik sucht nach Wegen, dass mehr Kinder geboren werden. Nun hat Wirtschaftsminister Bartenstein ausgerechnet das rote Wien zum Vorbild bei der Kinderbetreuung erklärt. Die neue ÖVP-Linie?


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Andreas Khol: Wir stehen seit eh und je für zwei Dinge bei der Kinderbetreuung: steuerliche Absetzbarkeit sowie flächendeckende Nachmittagsversorgung auf freiwilliger Basis. Nichts anderes hat Bartenstein deutlich gemacht.

Soll die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld geändert werden?

Das ist ein reines Funktionärinnen-Thema. Es geht nicht um mehr Geld, sondern um mehr Betreuung. Wir müssen endlich mit der Verteufelung von Teilzeitarbeit aufhören, denn zu 90 Prozent entspricht sie dem Wunsch der Betroffenen. Wir brauchen aber sicher noch flexiblere und frauenfreundlichere Formen der Berufsfortführung in der Babypause.

Die geringe Geburtenrate gefährdet auch das Pensionssystem. Laut einer aktuellen Umfrage rechnen 67 Prozent mit weiteren Einschnitten in den nächsten Jahren, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 84 Prozent.

Diese Sorgen sind unberechtigt. Experten wie EU-Kommission haben festgestellt, dass unser Pensionssystem bis 2050 finanzierbar ist. Diese Debatte kommt aus Deutschland, wo eine rot-grüne Regierung die Kernaufgabe vernachlässigt hat, die Nachhaltigkeit der Altersvorsorge zu sichern. Bei uns muss man weder Balalaika spielen lernen noch sein Glück im Lotto versuchen, wie das SPD-Vizekanzler Müntefering den deutschen Pensionisten empfohlen hat.

Vor Wahlen ist das mit Garantie-Erklärungen der Politik für die Pensionen allerdings so seine Sache . . .

Ich kann ausschließen, dass an der Lebensarbeitszeit-Schraube weiter gedreht wird. Wir haben bei unseren Reformen sichergestellt, dass die von den Experten geforderte längere Arbeitszeit in Stufen kommt - allerdings alles innerhalb des gesetzlichen Pensionsantrittsalters.

Und Pensionskürzungen für Kinderlose?

Diesen Gedanken halte ich für zynisch, zudem widerspricht er dem Versicherungsgedanken und meinen christlich-sozialen Grundüberzeugungen.

Und höhere Pensionsbeiträge für Kinderlose?

Nein, weil der Staat den Ausgleich zwischen Kinderlosen und Kinderreichen in Beihilfen bewerkstelligt. Ich bin gegen Rachegedanken im Pensionssystem.

Zehn Millionen neue Jobs sollen in Europa bis 2010 entstehen, verspricht Bundeskanzler Schüssel. Das erinnert fatal an die Lissabon-Strategie - und die liegt bekanntlich in Scherben.

Dieses Ziel soll im Rahmen der Lissabon-Strategie erreicht werden. Tatsächlich hat man hier in den vergangenen fünf Jahren vor allem wolkig formuliert. Beim kommenden EU-Gipfel hat der Bundeskanzler als Ratsvorsitzender vorgeschlagen, konkrete Maßnahmen und verpflichtende nationale Ziele zu vereinbaren. Die Einhaltung dieser nationalen Verpflichtungen soll von der Kommission überprüft werden. Diesmal wird es also sehr konkret.

Was sprach dafür, den 71-jährigen Peter Jann als Richter beim EuGH zu verlängern, statt der 48-jährigen Christine Stix-Hackl eine Chance zu geben?

Die Qualifikation beider Bewerber stand von Anfang an außer Streit. Der Bundeskanzler hat auf den Wunsch des EuGH hingewiesen, dass tunlichst erneut die gleichen Richter vorgeschlagen werden sollen. Das deshalb, weil von den derzeit 15 Richtern 13 ausscheiden, wenn sie nicht verlängert werden und - aufgrund der EU-Erweiterung - zehn neue Richter hinzukommen. Der Präsident des EuGH sah dadurch die Kontinuität der Rechtsprechung in Gefahr - und dieser Sorge hat sich auch der Präsident des Verfassungsgerichtshofes in einem Brief angeschlossen.

Der Islam wird im einst erzkatholischen Österreich immer präsenter. Künftig sind auch beim Bundesheer Imame tätig. Eine logische Konsequenz aus den gesellschaftlichen Veränderungen?

Ich bin sehr dafür, dass wir in dieser Angelegenheit wieder zu den Zuständen zurückkehren, die wir in der Monarchie hatten. Alle anerkannten Religionsgemeinschaften sind vor der Verfassung gleich. Das hat man in manchen katholischen Kreisen, die zuerst Bedenken geäußert hatten, schließlich auch verstanden. Immerhin würde man ja sonst am eigenen Ast sägen. Ich bin jedenfalls für Militär-Imame.

Die geplanten Wissenstests für angehende Staatsbürger stoßen auf geteiltes Echo. Vor allem an deren Aussagekraft gibt es Zweifel.

Ich bekenne mich dazu, dass ich diese Tests in das Gesetz hinein reklamiert habe - und ich bin froh darüber. Natürlich kann man bei einzelnen Fragen geteilter Meinung sein, entscheidend ist aber, dass die Beherrschung der deutschen Sprache unter Beweis gestellt wird und sich die Bewerber mit einem 100-Seiten-Skriptum über Geschichte und Gesellschaftsordnung des Landes auseinander setzen müssen. Im Übrigen freut es mich, dass auch Wiens Bürgermeister Häupl die Wichtigkeit dieser Tests erkannt hat.

Dass im Wissenschaftsausschuss ein überholter Antrag zur Elite-Uni eingebracht wurde, war nicht gerade ein Höhepunkt des Parlamentarismus. Die SPÖ ist aus Verärgerung sogar ausgezogen.

Das gehört zur parlamentarischen Praxis, zeigt aber auch die Unerfahrenheit mancher Protagonisten. Denn wer hinausgeht, muss auch wieder herein kommen. Ich prophezeihe Ihnen: Letztlich wird die Exzellenz-Uni in Klosterneuburg mit breiter Mehrheit am kommenden Mittwoch beschlossen werden.