EU will sich nicht festlegen lassen. | Brüssel begrüßt Ankaras Reformprogramm. | Türkischer Premier auf Konfrontationskurs. | Brüssel/Istanbul. Die Türkei sendet unterschiedliche Signale an die EU. Premier Recep Tayyip Erdogan, von dem alle rätseln, ob er demnächst vom Parlament zum Präsidenten gewählt wird, fordert eine Beitrittszusage der Union für sein Land spätestens 2015. Sein Außenminister Abdullah Gül präsentierte gestern, Dienstag, einen Reformfahrplan, der die Türkei bereits 2013 an EU-Standards herangeführt haben soll.
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Positive Signale der EU-Kommission
Diese so genannte Roadmap begrüße die EU-Kommission ausdrücklich, erklärte die Sprecherin von Erweiterungskommissar Olli Rehn. Es sei die Pflicht jedes Kandidatenlandes, einen solchen Plan auszuarbeiten. Inhaltlich könne der Reformfahrplan jedoch erst bewertet werden, wenn er der Brüsseler Behörde auch vorliege.
Eine Abfuhr erteilte sie der Türkei jedoch auf einer anderen Ebene: Die Forderung Erdogans nach dem Beitrittsdatum, die dieser in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" stellte, wies sie glatt zurück. Denn entsprechend der Beschlüsse der EU-Staats- und Regierungschefs vom Dezember werden keine Beitrittstermine mehr festgelegt, bevor die Beitrittsverhandlungen mit einem Land kurz vor dem Abschluss stehen.
Frühes Stadium der Gespräche
Mit der Türkei befinden sich die Gespräche dagegen in einem sehr frühen Stadium. Sie wurden zwar offiziell im Oktober 2005 gestartet. Nach einem zähen Jahr mit spärlichen Fortschritten legten die EU-Außenminister aber letzten Dezember acht zentrale Teilbereiche der Beitrittsverhandlungen bis auf weiteres auf Eis.
Grund dafür ist die andauernde türkische Weigerung, Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge zu öffnen, obwohl Ankara das vor Beginn der Verhandlungen zugesagt hatte.
Der türkische Chefverhandler Ali Babacan verweist darauf, dass diese Zusage in dem Kontext gegeben worden sei, im Gegenzug die von der EU in Aussicht gestellte Lockerung der Handelssanktionen gegen den international isolierten Nordteil Zyperns zu erhalten. Die EU-internen Verhandlungen über die Wiederaufnahme des Direkthandels mit der so genannten Türkischen Republik Nordzypern, die nur von Ankara anerkannt wird, stehen auch auf der Agenda der gegenwärtig der Union vorsitzenden Deutschen. Sie laufen aber wegen des Widerstands des EU-Mitglieds Zyperns mehr als schleppend.
Setzung eigener Schwerpunkte
Chefverhandler Babacan hatte bereits im Vorfeld der Präsentation des Reformfahrplans die Setzung eigener Schwerpunkte angekündigt, in deren Zentrum vor allem die Umsetzung bereits erfolgter Gesetzesänderungen stehen sollen. Zusätzlich würden im Rahmen des Sieben-Jahres-Programms weitere 200 Rechtsakte geändert werden, verkündete er am Dienstag. Auch wenn sich der Plan in 30 Bereichen an den Verhandlungskapiteln mit der EU orientiert, handle es sich um "ein Programm der Türkei", betonte Gül. Neben türkischen Ministerien, Behörden und NGOs sei auch der türkische Generalstab in die Arbeiten eingebunden worden.