Schriftsteller gesteht, Raubüberfall in seiner Wohnung fingiert zu haben, um Versicherungsgeld zu kassieren.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Herr M. erzählt gerne Geschichten. "Ich habe viele Bewunderer", sagt der 67-jährige Schriftsteller und Pensionist. Besonders Krimis haben es ihm angetan. Früher habe er sich viel mit ihnen befasst, meint er. Eine Kriminalgeschichte, die sich der mäßig bekannte M. ausgedacht haben soll, brachte ihm jedoch weder Reichtum noch Ruhm.
Vielmehr musste er sich wegen ihr am Montag vor dem Straflandesgericht Wien (Einzelrichterin: Elisabeth Reich) verantworten. M. soll einen Raubüberfall in seiner Wohnung fingiert haben, um Geld von einer Versicherung zu erschleichen. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm schweren Betrug, die Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und falsche Beweisaussage vor.
"Das ist eines Intellektuellen und eines Schriftstellers nicht würdig", sagt M. über die Tat. Als ihn seine Freundin - "sie war siebzehn Jahre jünger und sehr attraktiv" - verlassen habe, habe er angefangen, Alkohol zu trinken. Er sei emotional instabil gewesen, vorher habe er nie etwas getrunken, erzählt M.. Eines Tages sei ein Freund, der sich immer wieder Geld von ihm ausgeborgt habe, bei ihm erschienen. "Er hat gefragt, ob meine Wohnung versichert ist." Im "betrunkenen Zustand" habe er dann beschlossen, einen Schaden zu inszenieren. "Ich habe Kunstwerke, die ich besitze, zerstört."
Misstrauische Polizei
Anschließend habe er sich selbst an einen Stuhl geknebelt. "Wie haben Sie das gemacht?", fragt die erstaunte Reich. Zuerst habe er die Beine gefesselt, sagt der Schriftsteller. Dann steht M. auf, um Reich detailreich zu zeigen, wie er mit seinen Händen vorgegangen sei. Einiges an Klebeband dürfte dabei jedenfalls verbraucht worden sein. Auch den Mund habe er sich zugeklebt, sagt M..
Durch die offene Wohnungstür sei dann jemand gekommen. Diese Person habe ihm das Klebeband vom Mund weggenommen. "Sie haben zu ihm gesagt: Mach das nicht, ruf nur die Polizei", sagt Reich. Der Polizei sei es komisch vorgekommen, dass M. bis zum Eintreffen der Beamten gefesselt bleibe wollte, erklärt Reich. "Das war dilettantisch", gesteht der 67-Jährige. Als ihn die Polizei befreit habe, habe er ihnen gesagt, dass ihn zwei maskierte Männer überfallen hätten. Er gab an, dass ihm die Täter Unterlagen, Gemälde und Bargeld in Höhe von 3000 Euro geraubt hätten.
Falsche Spur gelegt
Bei der Spurensicherung wurde auch ein Pass von einer fremden Person gefunden. M. belastete diese als Täter. "Wegen Ihrer Angaben wurde eine Festnahmeanordnung und ein Internationaler Haftbefehl erlassen. Wäre diese Person nicht zwischenzeitlich verstorben, wäre sie festgenommen und des Raubes verdächtigt worden", sagt Reich. "Das ist sehr unschön", fügt sie hinzu.
Von der Versicherung erhielt M. eine Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro. Mittlerweile hat er mit ihr ein Regressanerkenntnis geschlossen: 200 Euro zahlt M. der Versicherung monatlich zurück - er selbst lebt derzeit von einer Pension von 837 Euro.
Bei seiner ersten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung hatte M. noch geleugnet, die Tat fingiert zu haben. Bei der darauffolgenden Einvernahme zeigte er sich allerdings geständig. "Ich verurteile mich selbst deshalb. Ich kann nicht mehr schlafen", gibt M. an. "Es war schändlich, was ich getan habe."
"Ich bereue es wirklich"
Verteidiger Sebastian Lesigang verweist in seinem Eröffnungsplädoyer darauf, dass sein Mandant "multiple Probleme" habe. Seit Sommer sei M. beim psychosozialen Dienst der Stadt Wien. M. leide unter hohen Blutzucker und einen Bauchdeckenbruch, sagt sein Verteidiger. Während der Verhandlung macht M. mehrmals ein schmerzerfülltes Gesicht. "Geht es, Herr M.?", fragt Reich einmal. "Ja", sagt der laut atmende M.. Ein langer Schal baumelt von seinem Hals herab.
Als Reich ihm das Schlusswort erteilt, erhebt sich M. von seinem Platz. "Ich bereue es wirklich. Ich werde diesen Fall zu einem Kriminalroman verwerten. Mit geänderten Namen. Er soll als Lehrbuch dazu dienen, dass man das nicht macht." "Und was ist die Botschaft: Dass man das nicht macht oder dass man es besser macht?", fragt Reich. "Dass so etwas überhaupt nicht gemacht werden sollte", erklärt M., der sich auch noch beim österreichischen Staat und den Gerichten für sein Verhalten entschuldigt.
Reich verurteilt M. zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren wird die Strafe bedingt nachgesehen. Da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgibt, ist das Urteil nicht rechtskräftig. Als mildernd wertet Reich die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Geständnis als auch das Anerkenntnis des Schadens. Gleichzeitig hält Reich fest: "Die Kriminalpolizei ist darauf angewiesen, dass Leute die Wahrheit sagen."