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"Kein Boom, aber solides Wachstum"

Von Eva Stanzl

Wirtschaft

Österreich-Zentrale des größten Software-Konzerns spürt Krise. | Personalabbau im "einstelligen Bereich". | Überproportionale Zuwächse passé. | "Wiener Zeitung: Microsoft ist zum zweiten Mal in Serie "bester Arbeitgeber Österreichs für Frauen". Was machen Sie anders als andere Unternehmen?


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Petra Jenner: Frauen haben ein anderes Selbstverständnis in der Art und Weise, wie sie arbeiten. Sie vernetzen sich weniger stark als Männer, weil sie ihre Qualitäten anders wahrnehmen. Wir fördern die Stärken von Frauen, denen man ja Defizite in der Effizienz ihrer Karrieren nachsagt. Dahinter steckt jedoch die Tatsache, dass es Frauen weniger wichtig ist als Männern, hervorzuheben, was sie alles gemacht haben. Frauen geht es mehr um die Integration und die Harmonisierung von Strömungen als darum, Dinge durchzusetzen.

In Mentoring-Programmen coachen wir unsere Mitarbeiterinnen zum Führungsnachwuchs. Viele Kunden freuen sich nämlich, wenn eine Frau die Beratungsleistung erbringt - Frauen haben Zugänge zu anderen Zielgruppen. Denn Produkte werden ja nicht rein aufgrund der technischen Qualität gekauft, sondern auch durch die Emotionalisierung. Wir haben viele Frauen im Marketing und im Vertrieb, wo es um den Aufbau von Kundenbeziehungen geht. Und wir haben eine Personalchefin.

Wäre die Krise passiert, wenn es mehr weibliche Top-Manager gegeben hätte?

Es wäre vermessen, zu sagen, dass die Männer an der Krise schuld sind. Darauf möchte ich mich nicht kaprizieren. Ich glaube aber, dass gewisse Verhaltensweisen daran schuld sind, dass wir heute sind, wo wir sind - etwa ein stark konkurrenzierendes Verhalten. Schneller, höher, weiter sind Dinge, mit denen ein Mann sich identifiziert - und das hat die Krise beschleunigt.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass dieses Wirtschaftssystem schon lange zur Disposition steht. Die Krise hätte genau so vor zwei Jahren passieren können. Wir haben lange über unsere Verhältnisse gelebt und wollten es nicht wahrhaben, dass es nicht ewig höher, schneller und weiter gehen kann.

Unsere Finanzsysteme müssten gnadenlos reformiert werden. Es ist unverständlich, dass Analysten nach wie vor Unternehmen rein auf der Basis von Kostenreduktion bewerten. Wirtschaften heißt ja auch sorgfältig mit Ressourcen umzugehen, und zwar auch mit dem Personal. Ein Unternehmen sollte daher auch an seiner langfristigen Ausrichtung bewertet werden.

Microsoft-Chef Steve Ballmer geht davon aus, dass es noch etwa vier Jahre dauern wird, bis wir wieder Wachstum sehen. Wie wirkt sich die weltweite Schwäche der Computerbranche auf den kleinen Markt Österreich aus?

Bis dato konnten wir recht gute, solide Ergebnisse erzielen. Aber die Krise ist auch hier angekommen, daher gehen die Zahlen aufgrund des schrumpfenden Absatzes bei der Hardware genau so nach unten wie sonst überall auch.

Was erwarten Sie für die Ergebnisse im Juli?

Wenn die Situation so bleibt, wie sie ist, werden wir immer noch wachsen können. Aber es wird ein geringeres Wachstum sein, als wir uns vorgenommen haben. Wenn weniger PCs und Laptops verkauft werden, hat das Auswirkungen.

In den USA kommt Windows 7 früher als geplant auf den Markt, und zwar schon zu Weihnachten. Soll der Schritt die Bilanz retten, und wann kommt es nach Österreich?

Windows 7 kommt in der deutschsprachigen Version gleichzeitig mit der US-Version auf den Markt. Aber es kommt keinesfalls ausschließlich deswegen früher, weil wir unsere Jahresbilanz damit retten wollen. Unsere Produkte kommen auf den Markt, wenn sie fertig sind, das heißt wenn jene Unternehmen, die neue Produkte testen, es für gut befinden. Natürlich wird uns das Weihnachtsgeschäft gut tun, aber das ist nicht der Beweggrund für den Launch genau zu diesem Zeitpunkt.

Microsoft spart 5000 Stellen. Ist ein Personalabbau für Österreich geplant?

Wie Steve Ballmer bereits im Jänner angekündigt hat, ist auch Microsoft nicht gegen die Entwicklungen in der Wirtschaft immun. Unsere Antwort umfasst beides - Festhalten an langfristigen Investitionen und die schnelle Reaktion, Kosten zu reduzieren. Für Österreich bedeutet das vor allem Festhalten an Investitionen in den Standort. Gleichzeitig ist aber eine geringe Reduktion der Mitarbeiterzahl auch bei uns nötig - allerdings im unteren einstelligen Bereich.

Kann man immer noch froh sein, in den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu arbeiten?

Ganz sicher. Es gibt nach wie vor etwa 1000 offene Stellen in Österreich und es existiert ein gnadenloser Fachkräftemangel. IKT ist noch lange nicht am Ende. Die Branche profitiert sogar von der Krise, weil die Infrastruktur mit Konjunkturpaketen modernisiert wird.

Effekte von Konjunkturpaketen sind das eine - aber wie kann die IKT-Branche selbst in der Krise ein Motor für Wachstum sein?

Wir sind innovationsfördernd und Innovation wird nach der Krise weitergeführt. IKT ist der Treiber des Übergangs von der Industriegesellschaft in die Wissensgesellschaft und der Trend wird noch dauern.

Aber einen neuen Boom werden wir nicht erleben. Es wird ein solides, langfristiges, aber kein überproportionales Wachstum sein.

Übernahmegerüchte um SAP und Yahoo durch Microsoft wollen nicht sterben. Eine gute Zeit für Übernahmen?

Generell: Wenn nicht jetzt, wann dann. Unternehmen mit guter Liquidität können heute Mitbewerber viel günstiger erwerben als noch vor zwei Jahren.

Yahoo werden wir nicht übernehmen, aber generell ist es jetzt gut, zu akquirieren und wenn Sie die Mittel haben, kann es ein Schnäppchen sein. Bei Fluggesellschaften ist das seit zwei Jahren so, jetzt ist die Autobranche dran und es wird noch viele andere Branchen treffen.

In der ebenfalls innovativen Telekom-Branche gibt es diesen Trend derzeit nicht.

Die Telekom-Unternehmen müssen bestimmte Themen erst abwarten. Eine Firma wie Microsoft ist breiter aufgestellt - der Trend zu Cloud Computing, bei dem man auf Abruf Software aus dem Internet holt, wird stärker und wir werden weiter investieren. Da hängt auch die Telekom-Branche dran, aber die wartet noch.

Arbeiten Sie mit den Mobilfunkern zusammen?

Wir arbeiten mit Telekom-Betreibern an einem Geschäftsmodell, wie die Anwendungen, die über das Glasfaser-Netz bis in die Wohnzimmer transportiert werden, Geld bringen können. Die Frage ist, was der Werbemarkt hergibt, sobald die Österreicher das flächendeckend nutzen.

Engagiert sich die Regierung genug für IKT?

Die Agenden sind in acht Ministerien aufgesplittert, es gibt Arbeitskreise ohne Ende, aber wenig Gestaltungswillen und keine durchgängige Strategie.

Würde sich die Politik der Branche etwas mehr annehmen, würde das die Innovationsfähigkeit der Betriebe massiv stärken. IKT bringt allein in Wien die siebenfache Brutto-Wertschöpfung des Tourismus.

Zur PersonPetra Jenner (44) ist seit Februar Geschäftsführerin von Microsoft Österreich. Die gebürtige Deutsche war zuvor ab 2004 Director für Deutschland, Österreich und Schweiz beim israelisch-amerikanischen Sicherheitsspezialisten Check Point Software Technologies in München. Die Betriebswirtin und Informatikerin war davor Geschäftsführerin bei der Pitoval GmbH, ebenfalls in München.

Siehe auch

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