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"Kein Deal wäre ein Desaster"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die EU-Einigung auf Corona-Hilfen im Umfang von 500 Milliarden Euro stößt auf Lob und Kritik. Ökonomen sehen die Maßnahmen zwar als nicht ausreichend, aber wegweisend an.


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Die Kritik folgte auf den Fuß. Trotz etlicher positiver Reaktionen auf die Einigung der EU-Finanzminister auf ein Corona-Hilfspaket gab es auch massive Einwände gegen das Programm im Umfang von rund 500 Milliarden Euro. Sie kamen sowohl aus den Mitgliedstaaten als auch vom EU-Parlament. Abgeordnete vor allem aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Grünen finden die Maßnahmen nicht ausreichend. In Deutschland warnt die oppositionelle liberale FDP vor Finanzierung durch Verschuldung. Und Italiens Regierungsvertreter beharren auf der gemeinsamen Ausgabe von Anleihen in Form von Corona-Bonds.

Dies bleibt freilich heftig umstritten. Länder wie Deutschland, Österreich und die Niederlande lehnen das nämlich vehement ab, um nicht für Schulden anderer Staaten mithaften zu müssen.

In der Erklärung der Finanzminister, die nach zuvor gescheiterten 16-stündigen Verhandlungen am Donnerstagabend dann doch zu einer Vereinbarung gelangten, sind Bonds denn auch nicht erwähnt. Allerdings bietet eine Formulierung in dem Dokument Spielraum für Interpretationen. So sollen "innovative Finanzinstrumente" gefunden werden, um einen Wiederaufbaufonds für die schwer von der Corona-Krise getroffene Wirtschaft zu schaffen. Für den französischen Finanzminister Bruno Le Maire könnten das gemeinsame Schulden sein; sein österreichischer Amtskollege Gernot Blümel hingegen will das ausschließen.

Video-Gipfel am 23. April

Geeinigt haben sich die Minister jedoch auf einen Plan mit drei Elementen. Zum einen soll der Euro-Rettungsfonds ESM vorsorgliche Kreditlinien von bis zu 240 Milliarden Euro bereitstellen. Jedes Land der Eurozone kann dabei auf Darlehen mit günstigen Zinsen zählen, in Höhe von bis zu zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Als einzige Bedingung gilt, dass die Mittel für die Bewältigung der Corona-Krise verwendet werden - etwa zur Deckung von Kosten im Gesundheitsbereich oder in der Prävention. Zusätzliche Kredite, vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, von bis 200 Milliarden Euro sollen von der Europäischen Investitionsbank (EIB) kommen.

Die dritte Säule hat die EU-Kommission vorgeschlagen: ein europäisches Kurzarbeitsgeld im Ausmaß von bis zu 100 Milliarden Euro. Damit sollen Kurzarbeit und Selbständigkeit gestützt werden. Die Brüsseler Behörde will dabei selbst an den Finanzmärkten Geld aufnehmen und dieses dann als günstige Kredite weiterleiten.

Die Staats- und Regierungschefs müssen den Kompromiss noch bestätigen. Die Gelegenheit dazu werden sie in knapp zwei Wochen haben: Für den 23. April hat EU-Ratspräsident Charles Michel bereits eine Gipfelsitzung via Videokonferenz einberufen.

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Die Ökonomen der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel bewerten die Vereinbarung der Finanzminister jedenfalls positiv. "Wenn es keinen Deal gegeben hätte, wäre das ein Desaster", kommentierte Bruegel-Direktor Guntram Wolff in einer Online-Debatte. Zwar hätten die Maßnahmen einen relativ geringen Umfang, doch sei es ein klares Signal, dass Schuldenaufnahme erlaubt sei, wobei dies jeweils nationale Verschuldung bleibe. Gleichzeitig werde die Europäische Zentralbank (EZB) gestärkt, die zuletzt selbst ein Notfallpaket zum Kauf von Anleihen im Umfang von 750 Milliarden Euro aufgelegt hat. Sie kauft auf diese Weise Schulden auf - was nun auch erneut abgesegnet sei.

Bruegel-Vizedirektorin Maria Demertzis wiederum lenkt die Aufmerksamkeit auf das Kurzarbeitsprogramm: "Es ist gut, solch ein Instrument in der EU zu haben - das gab es bisher nicht." Denn anders als etwa der ESM, bei dem in erster Linie die Staaten das Sagen haben, ist das "Sure" genannte Vorhaben auf EU-Ebene angesiedelt, nämlich bei der Kommission. Es könnte sogar eine Vorstufe zu einer europäischen Arbeitslosenversicherung sein, wie Demertzis hofft. Diese Idee ist allerdings ebenfalls umstritten.

Geld aus dem EU-Budget?

Zwist scheint ebenfalls bei den Debatten um einen Wiederaufbaufonds programmiert zu sein. Le Maire deutete an, dass das Volumen dieses Topfes eine weitere halbe Billion Euro bilden könnte. Die Finanzierung ist jedoch unklar. Selbst wenn die Lösung nicht gemeinsame Schulden wären, birgt die Alternative auch Streitpotenzial. Das Geld könnte nämlich im europäischen Budget gesucht werden.

Den Ausgabenrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 müssen die Mitgliedstaaten aber noch festzurren. Sie konnten sich bisher weder auf die Summe noch die Aufteilung der Mittel einigen.