Mit ihrem Raketenhagel auf israelische Siedlungen seit dem Ende des Waffenstillstand habe sich die Hamas "selbst aus dem politischen Dialog ausgeschlossen", meinte der Außenminister von Tschechien, das am Donnerstag den EU-Vorsitz übernimmt. Karl Schwarzenberg griff hier allerdings zu einer verfehlten Formulierung. Denn selbst wenn man der radikalen Palästinenser-Organisation die alleinige Schuld an der neuen Eskalation im Nahen Osten zuschreiben mag, wie dies auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel getan hat - Teil des politischen Dialogs war die Hamas nie. | Zur Erinnerung: Die Hamas hatte 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen klar gewonnen, dabei von der Enttäuschung über die korrupte und im Friedensdialog mit Israel erfolglose Fatah-Regierung von Präsident Mahmoud Abbas profitierend. Dieser Wahlsieg wurde nie anerkannt; stattdessen stoppte der Westen Finanzhilfen für die Palästinenser. Der Machtkampf zwischen Fatah und Hamas wurde dadurch weiter angeheizt, was in der Machtübernahme der Radikalen im Gaza-Streifen mündete.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die - von Israel immer wegen Unterstützung der Palästinenser gescholtenen - Europäer folgten in diesem Prozess willig den Vorgaben der USA, wonach die Hamas als Teil des islamistischen Terrors zu bekämpfen sei. Statt in Verhandlungen einzutreten, um die geforderte explizite Anerkennung Israels zu erreichen, wurde der Gaza-Streifen isoliert und wirtschaftlich unter Druck gesetzt.
Allerdings haben auch die Friedensverhandlungen mit der gemäßigten Regierung von Abbas, die US-Präsident George W. Bush im ablaufenden Jahr forciert hat, nichts gebracht - Abbas beklagte immer wieder die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland als Haupthindernis.
Da die Gespräche wegen Israels Offensive gegen die Hamas nun eingestellt wurden, wird Bush-Nachfolger Barack Obama eine weitere Krise aufgebürdet - neben der Rezession, den Kriegen im Irak und in Afghanistan und der Klimapolitik, die er bisher als seine Prioritäten genannt hat. Vorläufig enthält er sich eines Kommentars, aber Äußerungen im Wahlkampf lassen vermuten, dass der Hoffnungsträger an der US-Bündnistreue zu Israel unerschütterlich festhalten will.
Wenn Obama Glück hat, wird die Gaza-Offensive bei seiner Angelobung am 20. Jänner schon vorbei sein. Je weniger er aber von bedingungsloser Israel-Unterstützung lassen kann, desto länger wird ihn das Problem begleiten.
Seite 6
analyse@wienerzeitung.at