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Kein Diener zweier Herren

Von Alexander U. Mathé

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Der italienische Pass eines Schweizer Ministerkandidaten hat eine Debatte über die Doppelstaatsbürgerschaft losgetreten.


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Ignazio Cassis ist Schweizer. Das ist schon einmal wichtig. Cassis ist mittlerweile sogar nur Schweizer, und das ist bedeutsam. Denn vor kurzem noch war er auch Italiener, was die Eidgenossen in eine große Debatte gestürzt hat. Cassis möchte nämlich Bundesrat werden - wie die Schweizer ihre Minister nennen. Dabei geriet die Doppelstaatsbürgerschaft des FDP-Politikers ins Rampenlicht. Manch ein Schweizer findet nämlich, dass sich aus dieser Zweigleisigkeit ein Interessenskonflikt ergeben könnte. Was, wenn es beispielsweise zu einer Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und Italien käme? Wäre Cassis dann in der Lage, der Schweiz zu hundert Prozent seine Loyalität zu garantieren? Was, wenn die Schweiz in einem internationalen Konflikt, an dem Italien beteiligt ist, vermitteln würde? Könnte dann noch absolute Unparteilichkeit zugesichert werden? Rein juristisch gesehen ist so eine Doppelstaatsbürgerschaft in der Schweiz kein Hindernis, Minister zu werden. Lediglich die Annahme ausländischer Titel und Orden ist untersagt sowie die Ausübung eines ausländischen Amtes. Die Schweizer Volkspartei (SVP) stört das schon seit langem. Seit Jahren versucht sie vergeblich, die Doppelstaatsbürgerschaften in der Schweiz generell abzuschaffen. Dabei sind der öffentlich-rechtlichen Nachrichtenplattform "Swissinfo" zufolge 17 Prozent der Schweizer Doppelstaatsbürger. Aus aktuellem Anlass will die SVP im Parlament den Antrag einbringen, dass zumindest Bundesräte, eidgenössische Abgeordnete und die Mitglieder der eidgenössischen Gerichte ausschließlich im Besitz des roten Passes mit dem weißen Kreuz sein dürfen. "Man kann nicht zwei Herren dienen", sagte dazu der SVP-Abgeordnete Marco Chiesa. Nachdem eine derartige Polemik um seine Doppelstaatsbürgerschaft entbrannt ist, hat Cassis seine italienische Staatsbürgerschaft inzwischen zurückgelegt - wohl um die Situation zu beruhigen und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, wem seine Loyalität gilt. Doch das hat nur eine neuerliche Debatte entflammt. Denn nun werfen ihm Politiker quer durch alle Lager Opportunismus vor. Von einem "charakterlosen Kniefall vor den Nationalisten" sprach ein sozialdemokratischer Abgeordneter. Ein christdemokratischer wiederum erklärte: "Wer ein Leben lang eine zweite Staatsbürgerschaft hatte, sollte sie nicht kurzfristig über Bord werfen, bloß weil er Bundesrat werden möchte." Dessen ungeachtet ist Cassis nach wie vor der haushohe Favorit für das Ministeramt. Und dass sein Verhalten Vorbildwirkung hat, will er auch nicht: Die Aufgabe der italienischen Staatsbürgerschaft sei eine persönliche Entscheidung gewesen. Dass die Doppelstaatsbürgerschaft in der Schweiz generell abgeschafft wird, wolle er nicht, erklärte der 56-Jährige.