Politik nach Plan ist seit dem Untergang der UdSSR verpönt. Ganz ohne Plan wird es aber auch schwierig. | "Da gibt es kein durchdachtes Drehbuch, bei niemandem." Zumindest der Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl scheint allen Glauben an die Macht der Vernunft in der heimischen Politik aufgegeben zu haben. Wie ein buddhistisches Mantra wiederholte der Chef des Arbeitgeber-Flügels in der ÖVP daher auch am Mittwochabend bei einem Medienempfang gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesrates Gottfried Kneifel seinen Wunsch nach einer großen Koalition - "eben weil sie am vernünftigsten" sei. Immerhin: Seit gestern lodert diese Hoffnung wenigstens wieder ein bisschen heller.
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Fast bis zuletzt blieb Leitl mit seinem Standpunkt beinahe allein auf weiter Flur, und das keineswegs nur in der Volkspartei. Außer ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer fand sich auch in der SPÖ kaum ein Politiker von Rang, der vorbehaltlos für eine rot-schwarze Zusammenarbeit eintrat.
Nicht einmal das andere rot-schwarze Zwillingspärchen wollte den beiden obersten Sozialpartnern zur Seite stehen: Obwohl ansonsten für jeden Paarlauf zu haben, weigerten sich Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und Wiens Bürgermeister Michael Häupl partout, in den leisen, aber hartnäckigen Chor Leitls und Hundstorfers einzustimmen. "Diese großkoalitionäre Achse ist tot, nicht persönlich, aber politisch", zeigte sich Leitl ernüchtert. Und über das tatsächliche innerparteiliche Gewicht eines ÖGB-Chefs nach dem Bawag-Skandal muss man ohnehin keine Worte verlieren.
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Panta rhei - oder auf gut deutsch "alles fließt": Die Volkspartei nähert sich seit dem 1. Oktober dieser Überzeugung des griechischen Philosophen Heraklit von Ephesos fast schon idealtypisch an. Beobachter gehen davon aus, dass - ist die Frage einer Regierungsbeteiligung einmal entschieden - in der Partei kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird.
In dieser Situation hat Landwirtschaftsminister Josef Pröll mit einem vor einigen Tagen vollzogenen Schritt innerparteilich für einiges Stirnrunzeln gesorgt: Der allseits als Zukunftshoffnung in der Post-Schüssel-Ära gepriesene Bauernbündler verzichtete überraschend auf sein Nationalratsmandat.
Natürlich braucht ein Minister kein Mandat so lange er Minister ist - aber dann? Er könne es ja jederzeit wieder annehmen, verlautete dazu aus der Umgebung des Ministers, von Rückzugsgelüsten aus der Politik keine Rede.
Dennoch gilt als offenes Geheimnis, dass Raiffeisen-General Christian Konrad Pröll gerne als Kandidat für die eigene Nachfolge aufbauen würde. Und auch dass der Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmannes die Rolle einer bürgerlichen Zukunftshoffnung nicht aus eigenen Stücken angestrebt hat, gilt als verbürgt. Trägt sich Pröll tatsächlich mit Abwanderungsgedanken in die Wirtschaft? Geht es nach manchen Medien, stünde ein Nachfolger jedenfalls schon bereit: Finanzminister Karl-Heinz Grasser.