Die Kinderbetreuung in Corona-Zeiten handhaben die Bundesländer unterschiedlich - das bleibt vorläufig auch so.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bei der Kinderbetreuung in Corona-Zeiten liegt nach wie vor einiges im Argen. "Sie gehören nicht zu den Berufsgruppen, die im Erlass erwähnt sind", hörte ein Grazer Vater, der anonym bleiben will, als er seinen dreijährigen Sohn in den Kindergarten bringen wollte. Er wurde samt Kind weggeschickt. "Man könne das Kind in Notfällen wieder bringen, aber nicht regulär jeden Tag, hieß es auch noch. Da gab es enorm viele Ausflüchte."
Er und seine ebenfalls in Vollzeit berufstätige Frau lösten das Problem erst mit Pflegeurlaub, "weil meine Frau krank war", dann mit abwechselnden Sonderbetreuungsurlaubstagen, einem Ausreizen der Gleitzeit in die frühen Morgen- und späten Nachtstunden. "Das ging einige Wochen, jetzt nicht mehr, mein Chef war eh lange verständnisvoll."
Darf das Kind nun in den Kindergarten? "Jetzt muss ich eine Bestätigung des Arbeitgebers vorlegen, dass wir unmöglich Homeoffice machen können." Die wird er zwar bekommen, aber: "Ich werde im Kreis geschickt. Wir Eltern werden als moralisch verwerflich oder als inkompetent hingestellt." Ihm fehlen klare Regeln. Vom Land Steiermark darf er sich die für seinen Fall nicht erwarten, das Land sei nur Fördergeber, könne "keine Vorgabe" machen, der Vertrag ein privatrechtlicher zwischen Einrichtung und Eltern.
(Un)klare Regelung
Eigentlich gab es in Form eines Bundeserlasses an die Landeshauptleute von Beginn an klare Regeln. Sie mögen anordnen, dass der Betrieb in Kindertagesstätten einzuschränken sei. Um die "Kinderdichte" und soziale Kontakte zu verringern, sollen möglichst viele Kinder zu Hause betreut werden. Ausnahme seien Kinder, deren "Eltern beruflich unabkömmlich sind", "jedenfalls" medizinisches und Pflegepersonal, aber auch Angestellte in Apotheken, Supermärkten und öffentlichen Verkehrsbetrieben wurden unter anderem genannt genauso wie Alleinerziehende.
Kanzler Sebastian Kurz stellte allerdings erst diese Woche klar, wie das zu verstehen ist: "Jeder, der Betreuungsnotwendigkeit hat oder verspürt, wer es zu Hause nicht mehr aushält, der hat die Möglichkeit diese Betreuungsangebote auch zu nutzen - und es ist auch keine Schande, das zu tun", sagte er am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz und ergänzte das am Mittwoch im Nationalrat, das sei in Wien "strenger gehandhabt worden als in anderen Bundesländern".
Dass Kurz von "keiner Schande" sprach, sei eine "Schande", schreiben Eltern in Foren, viele fühlen sich weiterhin unverstanden. Der Seitenhieb auf Wien stimmt nicht: Die Stadt übernahm den Erlass wortident, ergänzte um weitere Berufsgruppen wie etwa die Reinigung. Die Arbeiterkammer kennt Fälle aus allen Bundesländern, wo die Betreiber das Wörtchen Kinder von "insbesondere" in bestimmten Berufsgruppen tätige Eltern fälschlicherweise als "ausschließlich" auslegte, die "Wiener Zeitung" berichtete.
Bundesländerunterschiede
Vom Land Kärnten heißt es nun, man habe die Vorgaben für Schulen "auch für elementarpädagogische Einrichtungen übernommen", als Nachweis wird eine Bestätigung des Arbeitgebers eingefordert. Die oberösterreichische Landesrätin Christine Haberlander verweist auf die "Autonomie der Betreiber", Nachweise zu verlangen.
Klarheit wie: "Alle Eltern dürfen Betreuung in Anspruch nehmen!", so wie das die Stadt in der Antwort an die "Wiener Zeitung" nun formuliert, ließ auch Wien lange vermissen. Erst diesen Montag sendete Stadtrat Jürgen Czernohorszky das aus. Man sei sich aber bewusst, dass Betreiber "hier den Spagat zwischen den Vorgaben der Bundesregierung, also ,möglichst wenig Kinder‘, und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern zu erfüllen" haben.
Die Steiermark schickte am Mittwoch eine Mitteilung an Eltern und Kindergärten aus. Darin werden Eltern zwar gebeten, ihre Kinder weiterhin nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. Kinder können aber auch "bei familiärer Überlastung, unabhängig von Art und Ort der Berufsausübung, zur Betreuung in den Kindergarten gebracht werden".
Dabei wäre es einfach: ",Beruflich unabkömmlich‘, wie im Erlass steht, bedeutet: Alle, die arbeiten müssen, also auch jene im Homeoffice und egal mit welchem Beruf, können ihre Kinder in den Kindergarten bringen", sagt Ingrid Moritz, Leiterin der Frauenabteilung der Arbeiterkammer Wien zur Rechtsgrundlage.
Zunehmend mehr Kinder
Mit den Lockerungen in der Wirtschaft werden nun zunehmend mehr als die aktuell 3,7 Prozent der Kinder in städtische Wiener Kindergärten, 4,6 Prozent in Kärnten, fünf bis acht Prozent in der Steiermark von den Eltern zur Betreuung gebracht werden. Und wie groß die Verbreitungsgefahr durch Kinder ist, kann die Wissenschaft noch nicht beantworten: Es gibt zwar Daten aus China, dass sie sich seltener anstecken als Erwachsene und, weil öfter asymptomatisch erkrankt, weniger infektiös sind. Gerade kleinere Kinder können aber keine Corona-Vorsicht walten lassen.
Die St. Nikolausstiftung hat mangels Corona-Fahrplan vom Bund oder der Stadt Wien selbst Hygienemaßnahmen entwickelt: Gruppengrößen von bis zu sechs Kindern, Kinder verschiedener Gruppen sollen sich nicht mischen. Der Garten darf nicht von mehreren Gruppen zugleich benutzt werden, Spielplätze außerhalb bleiben tabu. Auch eine Desinfektionspflicht von Turnmatten ist mit dabei, auf schwer zu reinigende Spielbereiche wie Bällebäder müssen Kinder verzichten.
Elmar Walter, Geschäftsführer der St. Nikolausstiftung, sagt, dass man so bis zu 30 Prozent der Kinder betreuen könne. Man habe zwar auch bislang kein Kind abgewiesen, wisse aber, dass der Bedarf nun stark steigt. Die pädagogische Leiterin, Susanne Haas, wünscht sich "klare Aussagen von der Politik, keine Doppelbotschaften." Es sei absurd, dass die Behörde bei Masern das Vorgehen regelt, bei Corona aber die Betreiber entscheiden, was zu tun sei. "Es ist ein Ärgernis, dass es für den Handel klare Regeln gibt, man aber Kindergärten ausklammert."
Bundesplan nur für Schulen
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser plädiert dafür, die Maßnahmen für Kindergärten wie in Schulen zu "synchronisieren". Auch Moritz fordert einen einheitlichen Fahrplan von Bildungsminister Heinz Faßmann für Kindergärten, inklusive der Anzahl der Kinder und Hygienevorschriften, "die 15a-Vereinbarungen zu den Kindergärten sind ja sonst auch im Bildungsressort angesiedelt".
Einen solchen Fahrplan wird Faßmann am Freitag zwar für die Schulen vorstellen, zu Kindergärten heißt es aus dem Ministerium einmal mehr: "Länderkompetenz", und: "Vorgaben wie die Anzahl der Kinder pro Quadratmeter und wann es zu viele sind, kann das Ministerium nicht machen."
Wien hat einen eigenen Stufenplan entwickelt, ab 4. Mai sind "Kinder im letzten Kindergartenjahr vor der Schule, im vorletzten jene mit Sprachförderbedarf sowie Einzelkinder" zusätzlich willkommen. In Oberösterreich berate die Bildungsdirektion Eltern und die Einrichtungen, sofern es zu "Problemen mit der Interpretation" der Verordnungen des Landes komme. Und in der Steiermark sieht man das Positive am zwar abgestimmten aber doch unterschiedlichen Vorgehen der Länder: Auch die Covid-19-Pandemie wirke sich unterschiedlich aus, "dementsprechend muss auch jedes Land gesondert reagieren".