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Kein Ende der EU-Sanktionen?

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Warnen vor Wirtschaftss anktionen: Minister Sikorski und EU-Außenbeauftragte Ashton.
© reu/F. Lenoir

Einreiseverbote und Kontosperren könnten ausgeweitet werden.


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Brüssel. Bis zu den Ministern drangen die Sprechchöre nicht vor. Doch was ein paar Dutzend Demonstranten vor dem Ratsgebäude im Brüsseler EU-Viertel skandierten, hätten die meisten der drinnen tagenden Politiker wohl nicht verneint. "Die Krim ist die Ukraine", riefen die Protestierenden und forderten ein "Stopp der russischen Aggression". Währenddessen feilten die Außenminister der Europäischen Union an einer Reaktion auf die Ereignisse auf der Krim.

Nachdem die Gemeinschaft das dort durchgeführte Referendum über eine Angliederung an Russland als illegal bezeichnet hatte, einigten sich die Ressortchefs schließlich auf weitere Sanktionen: 21 Personen werden mit Einreiseverboten verhängt, ihre Konten werden gesperrt. Die Maßnahmen betreffen 13 Russen, darunter Parlamentarier und Militärs, sowie acht ukrainische Politiker. Die Liste, auf der sich weniger bekannte Namen finden, kann noch verlängert werden - um weitere Personen, die für Aktivitäten verantwortlich sind, "die die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder gefährden".

Etwas weiter gehen die USA, die ebenfalls zusätzliche Sanktionen beschlossen. Auf ihrer Liste stehen prominente Namen wie der entmachtete ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch und mehrere russische Regierungsvertreter wie Vize-Premier Dmitri Rogosin. Dass die Maßnahmen der USA deutlicher ausfallen als jene der EU, erklärte der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski mit den unterschiedlichen Lebenswelten der Amerikaner und Europäer: Die einen seien vom Mars, die anderen von der Venus. Außerdem bedürfe es in den USA bloß der Unterschrift des Präsidenten, während in der EU 28 Staaten sich auf ihr Vorgehen einigen müssen.

Die Außenbeauftragte der Union, Catherine Ashton, verteidigte ebenfalls die getroffenen Beschlüsse. Die Minister hätten "den richtigen Ansatz für die EU" verfolgt.

Zwar hätte sich Warschau eine schärfere Reaktion auf die russischen Aktivitäten gewünscht als andere Mitgliedsländer bereit waren zu gewährleisten. Doch gibt es auch für die Polen gewichtige Gründe, warum es ihnen schwerer fallen würde als den Amerikanern, härtere Sanktionen zu verhängen - nämlich wirtschaftliche. Denn das würde die Europäer selbst treffen. Polen bezieht rund zwei Drittel seiner Gasimporte aus Russland, andere Staaten - beispielsweise Ungarn - sind fast zu hundert Prozent von den Lieferungen abhängig. Österreich ist es etwa zur Hälfte.

Hoffnung auf "Rückkehr zum Gespräch"

So zeigte sich Außenminister Sebastian Kurz ebenfalls skeptisch, härtere Strafmaßnahmen zu ergreifen. Vielmehr sollte "der Gesprächskanal offen gehalten werden".

Sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier betonte dies auch - selbst wenn er einräumen musste, dass die Situation in der Ukraine nach wie vor bedrohlich und "die Gefahr einer Spaltung Europas" nicht überwunden sei. Dennoch sei das Referendum auf der Krim ein Einschnitt, aber "nicht das Ende der Geschichte". Eine Rückkehr zum Gespräch müsse möglich sein.

Davon hat Russland allerdings andere Vorstellungen als die EU. So spricht sich die Union für eine Beobachtermission der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) aus. Steinmeier drängte darauf, dass die Mission so rasch wie möglich beginne und entsprechend groß sei, um eine Überwachung sicherzustellen. Die Rede war von bis zu tausend Beobachtern. Der Schwerpunkt solle vor allem auf der Ost- und Südukraine liegen.

Ginge es nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, würde diese Mission aber auf die gesamte Ukraine ausgeweitet. Das dürfte im Westen jedoch ebenso auf Ablehnung stoßen wie ein anderer Vorschlag aus Moskau. Der Kreml regte die Schaffung einer internationalen Unterstützungsgruppe an - statt der in der EU bevorzugten geplanten Kontaktgruppe. Die Vertreter des Gremiums sollten das Referendum auf der Krim anerkennen, wünscht sich Russland.

Diese Bedingung können die Europäer kaum akzeptieren - selbst wenn sich die Ereignisse auf der Krim nicht mehr rückgängig machen lassen, worauf Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verwies: "Realpolitisch gesehen" könnten keine Sanktionen der Welt ändern, was auf der ukrainischen Halbinsel geschehen sei.

Teile des Abkommens mit Ukraine vor Unterzeichnung

Dennoch sind weitere EU-Maßnahmen nicht ausgeschlossen. Schon bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag könnten die Staats- und Regierungschefs darüber beraten. Auf jeden Fall wollen sie ein Signal der Unterstützung an die Ukraine senden. So soll ein Teil eines umfassenden Abkommens zur Annäherung an die EU unterzeichnet werden. Laut Kurz wäre aber eine längerfristige Perspektive für die Ukraine nötig - wie sich diese stärker an die Union binden kann, ohne sich völlig von Russland abzukoppeln. "Wir dürfen die Ukraine nicht in eine Entweder-oder-Situation drängen", erklärte der Außenminister.

In so einer Lage fühlte sich Kiew jedoch schon Ende des Vorjahres, als es den ausverhandelten Vertrag mit der EU entgegen ursprünglichen Plänen nicht unterschrieb. Präsident Janukowitsch konnte sich damals nicht dazu durchringen, sich von Moskau abzuwenden. Denn solche finanziellen Hilfszusagen wie vom Nachbarn im Osten erhielt sein hoch verschuldetes Land aus dem Westen nicht.