Mexiko-Stadt - Der UN-Sonderbeauftragte für Binnenflüchtlinge, Francis Deng, hat nach einem Besuch im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas die gewaltsame Vertreibung von 12.000 Menschen bestätigt. Ihre Lebenssituation nannte Deng besorgniserregend und versprach, sich für internationale Hilfe zur Beendung des seit sechs Jahren schwelenden Konflikts einzusetzen.
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In Gesprächen mit Deng machten Vertriebene paramilitärische Gruppen für ihr Schicksal verantwortlich. Der Sondergesandte traf sich mit Vertretern der Lokalregierung und Bauernsprechern, die ihm einen Bericht vorlegten, in dem nicht nur Morde, sondern auch Vertreibungen, Plünderungen, Demütigungen und sonstige Schikanierungen beschrieben sind.
Zuletzt erschossen bewaffnete Männer am Sonntag in der Ortschaft Ocosingo im Dschungel von Chiapas zwei Kommandanten der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) während eines Guerilla-Treffens. Laut einem EZLN-Sprecher stünden die Täter in Verbindung mit der langjährigen Staatspartei PRI. Die Stadtverwaltung von Ocosingo sprach hingegen von einer "Familienfehde".
Die Woche zuvor war es in Nuevo Guadalupe im autonomen Bezirk San Manuel zu Zusammenstößen zwischen Guerilleros und Kämpfern der so genannten Organisation für den Schutz der Rechte von Ureinwohnern und Bauern (OPDIC) gekommen.
Die OPDIC steht unter der Leitung von Pedro Chelin Jimenez, einem der Anführer der Revolutionären Antizapatistischen Bewegung (MIRA). Die Auseinandersetzungen endeten mit vier Schwerverletzten und einer Verhaftung auf Seiten der Zapatisten.
Edgar Cortes, Direktor des jesuitischen Menschenrechtszentrums Agustin Pro Juarez, würdigte den Besuch des Sondergesandten von UN-Generalsekretär Kofi Annan als wichtigen Schritt, dem Thema Vertreibungen zu neuer Aufmerksamkeit zu verhelfen. "Dengs Anwesenheit gab uns die Möglichkeit, Fragen anzusprechen, die von den Behörden verschwiegen werden, damit der Eindruck entsteht, es herrsche Ruhe in Chiapas."
Erstickter Friedensdialog
Nach Einschätzung von Cortes wird die Lage in Chiapas immer schlechter. Dort wie auch im Bundesstaat Guerrero ergänzen sich paramilitärische Gewalt, religiös motivierte Auseinadersetzungen, Streit um Landbesitz und politisches Desinteresse im Kampf um Frieden. Zudem brauche die Bevölkerung in der südlichen Unruheregion Mexikos dringend Hilfe. Insbesondere hofft Cortes, dass der Besuch des UN-Beauftragten die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen der Regierung und der EZLN unter ihrem charismatischen Führer "Subkommandante Marcos" begünstigt.
Die EZLN, die der Regierung in Mexiko-Stadt am 1. Januar 1994 den Krieg erklärt hat, ist vor fünf Jahren aus den Verhandlungen ausgestiegen. Anlass waren Änderungen an einem Gesetz über die Rechte der Ureinwohner, auf das sich die Konfliktparteien zuvor geeinigt hatten. In der geänderten Form ist das Gesetz am 1. April 2001 vom Kongress angenommen worden.