Der Machtkampf zwischen Staatspräsident und Regierung geht weiter.
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Bukarest. In Rumänien geht der Machtkampf zwischen Staatspräsident und Regierung weiter, ein Ende der Staatskrise ist nicht in Sicht. So lautet das Fazit, nachdem das Referendum über die Absetzung des rumänischen Staatspräsidenten am gestrigen Sonntag wegen mangelnder Wahlbeteiligung gescheitert ist.
Zwar steht die Bekanntgabe der endgültigen Ergebnisse noch aus, doch bereits nach Schließung der Urnen am späten Sonntagabend reklamierte der am 6. Juli vom Parlament suspendierte Staatspräsident den Sieg für sich. "Die Rumänen haben den Staatsstreich der Regierung und des Parlamentes abgeschmettert", so Traian Basescu in einer Fernsehansprache. Doch auch Regierungschef Victor Ponta sah sich auf der Siegerseite. Er verwies auf die hohe Zahl von Wählern, die für Basescus Absetzung gestimmt hatten, und legte dem Staatspräsidenten den Rücktritt nahe: "Wir sind eine Regierung mit erdrückender Unterstützung durch das Volk. Ein Präsident, der mehr als acht Millionen Menschen gegen sich hat, sollte über das Wahlergebnis sehr ernsthaft nachdenken."
50-Prozent-Marke verfehlt
Laut vorläufigen Angaben des zentralen Wahlbüros erschienen nur rund 46 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung, nötig gewesen wären für ein gültiges Referendum mindestens 50 Prozent. Damit hatte der Boykottaufruf des Staatspräsidenten anscheinend Erfolg: Anfang letzter Woche hatten Traian Basescu und die ihm nahestehende Liberaldemokratische Partei die Wähler dazu aufgerufen, nicht zur Abstimmung zu erscheinen. Denn für den Fall eines gültigen Referendums wäre Basescu klar abgewählt worden, wie Nachwahlbefragungen am späten Sonntagabend zeigten: Mehr als 80 Prozent der Wähler sollen demnach für die Absetzung des Staatspräsidenten gestimmt haben.
Kein Wunder: Basescu ist in der rumänischen Bevölkerung sehr unbeliebt, weil er für ein strenges Sparprogramm verantwortlich zeichnet, durch das unter anderem Gehälter im öffentlichen Dienst und Renten vor zwei Jahren um ein Viertel gekürzt worden waren. Vielen Menschen im Land missfällt auch der konfrontative, polarisierende Stil und die häufig ordinäre Ausdrucksweise Basescus. Zudem wird ihm Vetternwirtschaft in der Familie angekreidet: Er unterstützte seine Tochter Elena dabei, Abgeordnete im Europaparlament zu werden - - doch sie gilt als eher unpolitisches Partygirl und der rumänischen Grammatik nicht mächtig.
Doch all das war nur der Vorwand für das Referendum. In Wirklichkeit geht es um einen Machtkampf zweier Lager: Basescus Liberaldemokraten hatten bis Ende April regiert und waren gestürzt worden, weil eine Reihe Abgeordneter im Parlament zum Oppositionsbündnis "Sozialliberale Union" übergelaufen war. Im Hintergrund stand die Befürchtung eines großen Teils der politischen Elite, dass die Justizreform und der Kampf gegen Korruption in Rumänien sie um ihre Pfründe bringen. Wichtige Gerichte im Land fällen inzwischen unabhängige Urteile gegen korrupte Politiker und ihre Klientel.
Basescu kündigte noch in der Nacht zum Montag an, dass er beim Kampf gegen Korruption unversöhnlich sein werde. Ansonsten versprach Basescu, dass er nach seiner Rückkehr in den Präsidentenpalast für mehr Versöhnung in der Gesellschaft wirken wolle. Beobachter bezweifeln allerdings, dass das gelingt. Im November sind Parlamentswahlen, die kommenden Monate dürften mit politischen Schlammschlachten und einem schmutzigen Wahlkampf ausgefüllt sein. Der Publizist Ovidiu Pecican prophezeit jetzt schon "Monate der politischen Lähmung".