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Kein Ende des Embargos in Sicht

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Während der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac weiter auf der Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China bis Ende Juni beharren, sucht der britische Außenminister Jack Straw unter den Mitgliedsstaaten nach Verbündeten für eine vorläufige Beibehaltung des Ausfuhrverbots. Schweden, Belgien und Italien dürften dem nicht abgeneigt sein.


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Auf dem Frühjahrsgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs war das umstrittene Embargo kein Thema. Danach bekräftigten Schröder und Chirac jedoch ausdrücklich, dass sich ihre Haltung dazu keineswegs geändert habe. Die beiden gelten als vehementeste Träger des letzten Dezember vom Europäischen Rat einstimmig bekräftigten "politischen Willens, auf eine Aufhebung des Embargos hinzuarbeiten". Luxemburg wurde damals beauftragt, die Vorbereitungen zur Ausräumung der Sanktion unter seiner Präsidentschaft - also bis Ende Juni - zu Ende zu führen.

Dieser Termin wackelt kräftig. Die bereits weit gediehenen Verhandlungen innerhalb der EU haben zuletzt deutlich an Schwung verloren, berichteten Diplomaten in Brüssel. Warnten die USA die Europäer schon bisher eindringlich vor einer Aufhebung des Waffenembargos, so hat Peking mit dem vor gut zwei Wochen verabschiedeten Anti-Separationsgesetz die Situation weiter verschärft. Die Norm legitimiert ausdrücklich militärische Gewaltanwendung gegen abtrünnige Provinzen. Und als solche betrachtet die Volksrepublik die Insel Taiwan. Die dort etablierte und de facto unabhängige Republik China hat einen Beistandspakt mit Washington im Falle einer militärischen Aggression vom Festland. Der Amerikaner größte Sorge ist es nun, nach dem Ende des Embargos im schlimmsten Fall gegen chinesische Truppen antreten zu müssen, die über Europa mit US-Waffentechnologie ausgestattet sind.

Dem trat Chirac mit der Aussage entgegen, dass sich ohne Ausfuhrverbot nicht gleich der Waffenverkauf an China erhöhen müsse. Das Argument stützt sich auf die geplante Verschärfung des seit 1998 geltenden Verhaltenskodexes der EU für Waffenexporte. Dieser verbietet bereits jetzt die Lieferung in Länder, denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.

Doch die Menschenrechtslage in China habe sich seit der blutigen Niederschlagung der Studentenproteste am Platz des Himmlischen Friedens 1989 noch verschlechtert, erklärte gestern die pensionierte Universitätsprofessorin Ding Zilin, die Angehörige der Opfer des damaligen Massakers vertritt. Die Gruppe attackierte Schröder und Chirac scharf. Bereits am Vortag hatten mehr als 500 chinesische Menschenrechtler in einem offenen Brief an die EU gegen die Aufhebung des Embargos protestiert.

EU-Außenbeauftragter Javier Solana bezeichnete das Ausfuhrverbot zwar als "ungerecht". Dass die Aufhebung noch während der luxemburgischen Präsidentschaft stattfinden werde, konnte er Chinas Außenminister Li Zhaoxing vor einer Woche in Brüssel aber nicht garantieren. Damit scheint die Angelegenheit für 2005 von der Agenda. Dass sich die britische EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr der Sache annimmt, gilt als ausgeschlossen.