EU geht wohl ohne neuen Haushalt ins nächste Jahr. | Abgeordnete kämpfen um Einfluss auf Finanzrahmen. | Brüssel. Verhandlungen über die EU-Finanzen zählen zu den schwierigsten und härtesten Auseinandersetzungen, welche die EU zu bieten hat. Das betraf bisher allerdings vor allem die Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens, dessen Grundzüge sich üblicherweise erst einmal die Staats- und Regierungschefs ausgemacht hatten. Erst dann wurden die Details mit dem EU-Parlament ausgearbeitet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doch diesmal wollen die Abgeordneten - durch den Lissabonner Vertrag erstarkt - schon viel früher ihre Einflussmöglichkeiten zementieren. Die Verknüpfung der Verhandlungen über den EU-Haushalt 2011 mit mittel- und langfristigen Elementen der EU-Finanzplanung stieß bei einigen Mitgliedstaaten schließlich auf so vehementen Widerstand, dass die Gespräche in der Nacht auf Dienstag vorläufig gescheitert sind.
Laut den Fristen, welche der Lissabonner Vertrag vorgibt, ist die Kommission jetzt verpflichtet, einen neuen Budgetvorschlag auszuarbeiten. Damit hätten die Dienste von Haushaltskommissar Janusz Lewandowski unmittelbar begonnen, sagte dessen Sprecher. Das Haushaltsverfahren läuft nach der Neuvorlage in rund zwei Wochen erneut an und kann Monate dauern. Daher stellen sich die Brüsseler Institutionen offensichtlich bereits darauf ein, dass es bis Jahresende wohl keine Einigung mehr auf ein Nächstjahresbudget geben wird.
Die Folge wäre, dass das heurige EU-Budget vorläufig auf Monatsbasis fortgeschrieben würde. Kurzfristig wären damit sowohl das EU-Parlament als auch die Mitgliedstaaten die Verlierer.
Denn mit der Fortschreibung gäbe es erst einmal überhaupt keine Erhöhung der Mittel, was nicht im Interesse des EU-Parlaments ist. Und die Mitgliedsländer müssten zwar theoretisch weniger nach Brüssel überweisen, was ihnen an sich gut gefällt. Einige ihrer neuen Prestigeprojekte, die gerade im Anlaufen sind, würden aber durch die knappe Mittelverfügbarkeit in Mitleidenschaft gezogen; die Abwicklung mancher EU-Förderungen könnte die Hauptstädte sogar teuer zu stehen kommen (siehe Artikel unten).
Mittel für Ausnahmen
So mutet der Mechanismus der Neuvorlage des 2011er Haushalts einigermaßen kurios an, weil die Verhandlungen zwischen den Vertretern der Staaten und des EU-Parlaments gar nicht deshalb sondern wegen einer Reihe von strittigen Nebenabmachungen ergebnislos geblieben waren.
Dabei sei es vor allem um drei Punkte gegangen, erläuterten Diplomaten: Die Abgeordneten wollten erstens sicherstellen, dass es in den nächsten drei Jahren weiterhin möglich ist, pro Jahr bis zu etwa 3,5 Milliarden Euro EU-Mittel in Ausnahmefällen per vereinfachtem Verfahren zu mobilisieren. Bei den Punkten zwei und drei ging es um jene politische Erklärung, welche das EU-Parlament für sein Einlenken bei der Höhe des EU-Haushalts 2011 von den Mitgliedstaaten verlangte.
Denn schon seit letzter Woche ist klar, dass es gegenüber heuer eine Erhöhung um höchstens 2,91 Prozent auf 126,5 Milliarden Euro geben wird. Von ihrem Wunsch nach plus sechs Prozent waren die Abgeordneten bereits abgegangen. Dafür beharrten sie auf einem verbindlichen gemeinsamen Verhandlungsrahmen für die Ausarbeitung des nächsten Finanzrahmens von 2014 bis 2020 und eine Einbindung in die sogenannte Eigenmittelentscheidung der Union.
Diese regelt die Einnahmenseite der EU und ist einer der letzten Bereiche, die ausschließlich von den Mitgliedstaaten bestimmt werden. Das Parlament hat auch laut Lissabonner Vertrag lediglich das Recht zur Stellungnahme. Hinter der Parlamentsforderung steht daher nach Einschätzung von Diplomaten der Wunsch nach einer ausführlichen Diskussion über eine EU-Steuer, welche Großbritannien, Frankreich und Deutschland jedoch geschlossen ablehnen.
Enttäuschte Mandatare
Präzedenzfälle für die erwähnte ausnahmsweise Mobilisierung von EU-Mitteln sind das auf zwei Jahre angelegte Fünf-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket der EU von 2009 und die von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso vor zwei Jahren initiierte zusätzliche Hilfsmilliarde für die ärmsten Länder. Beide wären durch die Vorgaben des aktuellen Finanzrahmens nicht gedeckt gewesen. Per qualifizierter Mehrheit der Mitgliedstaaten und Parlamentsmehrheit konnten die Mittel jedoch umgeschichtet werden.
Laut Lissabonner Vertrag wäre dafür künftig Einstimmigkeit der EU-Länder nötig, was die Entscheidungsfindung dramatisch erschweren könnte. Nur ein einstimmiger Beschluss - auf den die Abgeordneten drängten - könnte die bisherige Praxis fortführen. Einige Mitgliedsländer wie vor allem Großbritannien, die Niederlande und Schweden lehnten das ab. Auch Österreich war dem Projekt anfänglich kritisch gegenübergestanden.
Wenig überraschend zeigten sich EU-Parlamentarier enttäuscht nach dem gescheiterten Junktim: "Die Blockadehaltung einiger weniger Mitgliedstaaten nützt niemandem und ist schlecht für Europa", meinte EVP-Vizepräsident Othmar Karas. Die Forderungen des Parlaments seien nicht unangemessen gewesen, erklärte Hannes Swoboda, stellvertretender Fraktionschef der Sozialdemokraten.