SPÖ-Klubobmann rechnet mit einem strukturellen Nulldefizit 2016 - trotz der Hypo-Kosten.| SPÖ will ÖVP von einer Sperrminorität bei der Telekom Austria überzeugen.
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"Wiener Zeitung": Herr Klubobmann, wie fühlt es sich an, Bundeskanzler Werner Faymann zu kontrollieren?Andreas Schieder: Kontrolle gehört auch zu den Aufgaben des
Parlaments, ich verwehre mich nur dagegen, das Parlament und den einzelnen Abgeordneten auf die Rolle als Kontrollors einzuengen, der das Handeln der Regierung im Nachhinein überwacht. Für mich heißt Parlamentarismus auch, sich frühzeitig in den Gesetzgebungsprozess einzuschalten - am besten, bevor dieser Prozess überhaupt begonnen hat.
Spricht man mit ausländischen Politikern, staunen diese nicht schlecht, wenn sie erfahren, dass in Österreich die Klubobleute der Regierungsfraktionen bei den Ministerratssitzungen mit dabei sind. Andere Länder sehen die Trennung von Legislative und Exekutive offensichtlich als wichtiges Prinzip.
Möglich, dass diese Tradition spezifisch österreichisch ist, aber auch in anderen Ländern spielen die Klubobleute der Regierungsfraktionen eine zentrale politische Rolle. Und man darf nicht vergessen: Wir sitzen vielleicht mit am Tisch beim Ministerrat, aber wir haben kein Stimmrecht. Insgesamt zeigt diese Regelung, wie stark das Parlament ist: Wir bestimmen mit, was bei der Regierung auf den Tisch kommt.
Mit Verlaub: Die meisten politischen Experten sehen den Parlamentarismus in Österreich eher schwach ausgeprägt, eben weil die Abgeordneten der Regierungsfraktionen neben der Regierung keine eigenständige Rolle spielen.
Ich bleibe dabei: Es ist genau anders herum, es ist ein Beweis der Stärke des Parlaments.
Demnach wird es also in Zukunft mehr Gesetzesinitiativen aus dem Parlament heraus geben?
Echte Gesetzesentwürfe aus dem Hohen Haus heraus sind ein schwieriges Unterfangen, einfach weil die legistische Kompetenz sinnvollerweise bei den Ministerien angesiedelt ist. Entscheidend ist, dass die Abgeordneten mitentscheiden, was in den Gesetzen steht, um die letzten Details müssen sich dann Experten kümmern. Ziel ist auch, Verhandlungen mit allen Klubs auf Augenhöhe zu führen. Ein Beispiel dafür sind die geplanten Änderungen bei den Luxuspensionen, wo alle vier Oppositionsparteien ihre Ideen, Meinungen einbringen können. Dabei sind aber auch Experten aus dem Sozialministerium und Legisten aus dem Verfassungsdienst.
Dass ein Abgeordneter des SPÖ-Klubs wirtschaftspolitischer Berater des Bundeskanzlers ist, spielt dann auch keine Rolle?
Wesentlich ist, ob es eine vernünftige zeitliche Regelung gibt. Das ist geklärt. Und es wurde auch im zuständigen parlamentarischen Ausschuss positiv darüber beschieden.
Wie handhaben Sie den Klubzwang?
Es gibt in den Statuten des SPÖ-Klubs keinen Klubzwang. Ich will, dass lebhafte, ausführliche Debatten geführt werden, in denen alle Argumente ausgetauscht werden. Nachdem wir uns dann aber auf eine Meinung einigen, dann soll diese auch nach außen vertreten werden.
Der mexikanische Multimilliardär Carlos Slim wird sich - sagen zumindest Experten - demnächst 30 Prozent an der Telekom Austria sichern. Damit ist die Republik nichtmehr der einzige Anteilseigner, der über eine Sperrminorität verfügt. Nun soll die Telekom angeblich eine Kapitalerhöhung planen. Soll die Republik da mitgehen? Braucht die öffentliche Hand überhaupt einen Anteil an der Telekom?
Ich kann das nur für die SPÖ beantworten. Ich glaube, dass in den Bereichen Telekommunikation, Internet, Breitband sehr viel Zukunftstechnologie liegt. Das ist für den Standort Österreich wichtig. Deshalb sollte auch die Republik hier beteiligt sein und diese sensible Technologie sollte nicht ausschließlich in privaten, noch dazu womöglich in ausländischen Händen liegen. Über die ÖIAG beträgt der öffentliche Anteil an der Telekom mehr als 25 Prozent - genau 28,4 Prozent - das soll auch so bleiben.
Die Sperrminorität ist also ein Muss für die SPÖ?
Die Sperrminorität ist gesetzlich definiert. Ob aber 27 Prozent oder 26 Prozent, ist eine Detailfrage. Aufgabe der ÖIAG ist es, sämtliche Standortfragen zu definieren, also Headquarter, Forschung, Sicherstellung der Investitionen im Land etc.
Kann sich der Bund ein Mitziehen bei einer Kapitalerhöhung überhaupt leisten - und was, wenn die ÖVP das anders sieht?
Es geht um den richtigen Zeitpunkt, je höher der Aktienwert, desto teurer eine Kapitalerhöhung; die budgetäre Komponente kann man sicher nicht außer Acht lassen. Aber mittelfristig ist es sicher besser, mitzuziehen, weil sich daraus auch wieder Dividenden fürs Budget ergeben. Insofern werden wir den Koalitionspartner sicher überzeugen können.
Bleiben wir beim Budget: Derzeit muss sich die Regierung für eine von vier Varianten für die Abwicklung der Hypo Alpe Adria entscheiden. Für welche plädieren Sie?
Das Wichtigste ist, jetzt rasch eine Entscheidung zu treffen. Diese ist längst überfällig, ich habe schon vor drei Jahren für eine Bad Bank plädiert. Vergossene Milch ist aber vergossen.
Was halten Sie davon, die Hypo in die Pleite gehen zu lassen und dem Land Kärnten einen langfristigen Kredit für die 12 Milliarden Euro an Haftungen zu geben, die dann schlagend werden würden?Das halte ich für ein Spiel mit dem Feuer. Es gibt keine kontrollierten Pleiten. Einlagen, Haftungen und Spill-over-Effekte auf den restlichen Finanzsektor - diese Fragen können nicht kontrolliert beantwortet werden. Außerdem sind Teile des Bankeninsolvenzrechts auf europäischer Ebene noch nicht ausreichend ausgestaltet. Ich halte daher eine schnelle Bad Bank für die beste Lösung. Dann kann man einmal anfangen, den Krempel, der eh weg soll, abzulösen. Dass sich das auf das Defizit und die Schuldenquote auswirkt, ist eine Gefahr. Diese wird aber nicht kleiner, wenn man die Entscheidung hinausschiebt.
Würden Sie darauf wetten, dass das strukturelle Nulldefizit 2016 erreicht werden kann?
Ich bin grundsätzlich kein Freund von Wetten, schon gar nicht, wenn es um Finanzfragen geht. Ich bin aber überzeugt, dass das strukturelle Nulldefizit 2016 erreicht werden kann und zweitens auch erreicht wird.
Wie ist Ihr Verhältnis zur FPÖ?
Korrekt.
Ich frage, weil die FPÖ Ihrem Vorgänger, Klubobmann Josef Cap, vernehmbar Tränen nachgeweint hat, weil er die Rolle eines Verbinders zwischen SPÖ und FPÖ hatte.
Ein Klubobmann muss zu allen Parteien intakte Kontakte haben. Das hindert mich aber nicht daran, unscharfe Abgrenzungen der FPÖ zum rechten Rand zu kritisieren.
Wer ist Ihr erster Ansprechpartner, wenn es um Zweidrittel-Materien geht?
Da gibt es keine Präferenzen, ich suche mit allen Klubobleuten das Gespräch. Alle Oppositionsparteien stehen hier für mich auf einer Ebene, am besten ist es, wenn alle mitmachen.
Was macht die SPÖ, wenn sie bei der EU-Wahl im Mai nicht Erste wird?
Das ist eine hypothetische Frage. Über Dinge, die nicht eintreten werden, denke ich auch nicht nach.
Das klingt ja fast wie die Aufforderung zu einer Wette.
Aber nur fast.
Zur Person
Andreas Schieder (44)
war von 2008 bis 2013 Staatssekretär im Finanzministerium und ist seit 28. Oktober 2013 Klubobmann der SPÖ im Nationalrat. Er war schon von Oktober 2006 bis Juli 2008 Abgeordneter und Außenpolitischer Sprecher der SPÖ - und trat damit in die Fußstapfen seines mittlerweile verstorbenen Vaters Peter Schieder. Er hat einen Sohn mit der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely.