Schlechte Wahlergebnisse, eine tiefe Kluft zwischen den Parteiflügeln und die Drohkulisse, vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall rechtsextremistischer Bestrebungen klassifiziert zu werden, lasten vor dem Parteitag.
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Die Stimmung bei der AfD war schon besser. Das Superwahljahr in Deutschland, das mit der Bundestagswahl im Herbst seinen Höhepunkt findet, hat für sie miserabel begonnen. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März verloren die Nationalpopulisten je rund ein Drittel ihrer Wähler von 2016 und kamen nur mehr auf 9,7 beziehungsweise 8,3 Prozent. Der Absturz lag nicht an der Attraktivität anderer Parteien, in beiden Bundesländern wanderten frühere AfD-Wähler scharenweise ins Lager der Nichtwähler ab.
Dieser Trend befeuert die alte Debatte innerhalb der Partei zwischen den sogenannten Parlaments- und Bewegungsorientierten. Die erste Gruppe sieht die AfD als bürgerlich-konservative Kraft, die - ungeachtet der schrillen Töne in den Sozialen Medien - den Regeln des Parlamentarismus folgt. Die zweite Fraktion steht am äußersten rechten Rand und hat keine Berührungsängste, wenn es darum geht, gemeinsame Sache mit Rechtsextremen, Covid-Leugnern und Verschwörungstheoretikern zu machen. Beide Lager werden sich beim Parteitag am Samstag und Sonntag in Dresden wieder gegenüberstehen. Ungeachtet der Pandemie soll bei einer Präsenzveranstaltung mit 600 Personen das Programm für die Bundestagswahl beschlossen werden.
Wie tief die Kluft der beiden Lager ist, machte der bisher letzte Parteitag im vergangenen November überdeutlich. Vorsitzender Jörg Meuthen rügte Funktionäre, die von "Corona-Diktatur" sprechen, und forderte Distanz zur "Querdenken"-Bewegung ein. Ihr attestiert der Verfassungsschutz Baden-Württembergs "personelle" und "ideologische" Überschneidungen mit Rechtsextremisten und Reichsbürgern. Gegen Meuthen rebellierten Teile der Partei, zum Beispiel der Chef des gewichtigen sächsischen Landesverbandes, Jörg Urban: "Die Querdenken-Bewegung muss selbstverständlich unser Partner auf der Straße sein." Urban weiß den zweiten Parteivorsitzenden, Tino Chrupalla, und AfD-Übervater Alexander Gauland hinter sich. Und Meuthen sieht sich in Dresden mit einem Abwahlantrag konfrontiert.
Vom Ärger über die Regierung nicht profitiert
Das Kokettieren mit Verharmlosern und Leugnern der Pandemie hat sich nicht ausgezahlt. Die Bürger sind zwar verärgert über die Corona-Politik der Bundesregierung, die nur langsam in die Gänge gekommene Impfkampagne, das schleppend angelaufene Testen und die Affäre um zwei Politiker von CDU und CSU, die mit Provisionen bei Maskenkäufen an der Pandemie verdienten. Doch der Ärger darüber treibt die Wähler nicht zur AfD. Sie liegt konstant bei zehn Prozent; bei der Bundestagswahl 2017 erreichte sie 12,6 Prozent.
Abschreckend wirkt auch die Dauerdebatte, wie stark die Partei von Rechtsextremen unterwandert ist. Anfang März erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz nach zweijähriger Prüfung die gesamte AfD zum sogenannten Verdachtsfall. Ihr wird somit eine "gesichert extremistische Bestrebung" attestiert. Parteimitglieder können mit geheimdienstlichen Methoden überwacht werden, sei es durch den Einsatz von V-Leuten, Observationen und Telefonüberwachungen. Davon ausgenommen sind Abgeordnete und Kandidaten für Parlamente. Zwar kassierte das Verwaltungsgericht Köln zwei Tage später die Entscheidung, weil der Verfassungsschutz die Ergebnisse seiner Prüfung nicht selbst verkündet hatte, diese aber nach außen dringen konnten. Die endgültige Entscheidung über den Status der Partei dürfte aber wieder zur Einstufung als Verdachtsfall führen.
Potenzielle Probleme für Beamte
Für AfDler im öffentlichen Dienst, von Polizisten bis hin zu Lehrern, droht die potenzielle Beobachtung zum Problem gegenüber ihrem Dienstgeber zu werden. Dass im vergangenen Jahr die Zahl der Mitglieder erstmals seit 2015 rückläufig war, könnte auch an Beamten liegen, die sich bereits aus der Partei zurückgezogen haben. Ohne Personal aus dem öffentlichen Sektor kann die AfD aber nicht ihren bürgerlichen Anstrich bewahren.
Eben jener wurde bei Gründung der Partei 2013 großgeschrieben. Die Kritik am Euro war und ist eine Konstante der AfD. Im Leitantrag der Bundesprogrammkommission zum Parteitag am Wochenende wird gefordert, Deutschland müsse umgehend aus "dem untergehenden Eurosystem" aussteigen. Dort finden sich auch AfD-Klassiker wie die Aushöhlung der repräsentativen Demokratie zugunsten von Volksentscheiden und eine "Entspannung im Verhältnis zu Russland". Erst im März reiste eine Delegation der Partei nach Moskau.
Auch die offene Frage, wer die AfD im Bundestagswahlkampf anführt, könnte in Dresden wieder aufkommen. Mehrere Landesverbände brachten entsprechende Anträge ein. Neben dem zweiten Parteichef Tino Chrupalla gilt Fraktionsvorsitzende Alice Weidel als mögliche Kandidatin. Wie in so vielem sind die Parteiflügel auch hier uneins.