Seit neun Monaten tobt in der Ukraine ein Krieg. Und er wird noch länger dauern.
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Heute, am 24. November, beginnt das zehnte Monat des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, und sein Ende ist nach wie vor nicht absehbar. Ungeachtet der seit Monaten rund um Elitenkonflikte brodelnden Gerüchteküche und taktischer Schachzüge des Kreml sollte nichts darüber hinwegtäuschen, dass Präsident Wladimir Putin an seinen wesentlichen politischen Forderungen unverändert festhält. Der Kreml-Herr zeigte seit Verhandlungsbeginn keine Bereitschaft, die Vorschläge der Ukraine auch nur ansatzweise ernst zu nehmen. Vielmehr dienten ihm die Friedensverhandlungen stets als diplomatisches Feigenblatt für die Durchsetzung politischer Ziele der von ihm als "Spezialmilitäroperation" bezeichneten Invasion in der Ukraine.
Der Westen sollte sich durch die scheinbare Dialogbereitschaft keinesfalls täuschen lassen. Russlands Führung benötigt unbedingt eine längere Kampfpause. Die Friedensverhandlungen würden Putin die Möglichkeit eröffnen, sein Machtsystem zu stabilisieren und die einflussreichen Vertreter der "Partei des Krieges" in die engen innenpolitischen Schranken zu weisen. Gleichzeitig würde der Kreml versuchen, die Atempause dazu zu nutzen, die angeschlagenen russischen Truppen aufzustocken, auszurüsten und Offensivoperationen im Osten und Süden der Ukraine vorzubereiten. Die Vereinbarungen zwischen Moskau und Teheran über den Bau von Kamikaze-Drohnen liefern einen gewichtigen Indizienbeweis für die potenziellen Kriegspläne des Kreml.
So begrüßenswert ein Einfrieren des Konfliktes und eine Rückkehr an den Verhandlungstisch auch sein mögen, werden diese Maßnahmen allein keine dauerhafte Konfliktlösung erlauben. Ohne nachhaltige Sicherheitsgarantien für die Ukraine könnten die Kampfhandlungen schon bald wiederaufflammen. Ob der Westen den weitreichenden Sicherheitsgarantien auch zustimmen wird, ist allerdings ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Eine wesentliche Forderung der Ukraine dürfte im erneuten Konfliktfall die Errichtung einer Flugverbotszone sein. Theoretisch ist dies eine wirksame, im Vergleich zu einer Bodenoperation kostengünstige und mit geringem Risiko verbundene Möglichkeit, die Zivilisten zu schützen. Eine praktische Umsetzung ist allerdings kaum vorstellbar. Eine Flugverbotszone würde einen Eintritt der Nato in den Krieg bedeuten und von Russland mit Sicherheit als eine Kriegserklärung ausgelegt werden. Die Sicherheit der Nato-Streitkräfte könnte keinesfalls gewährleitstet werden, nicht zuletzt aufgrund der auf dem Territorium Russlands und der Republik Belarus stationierten Flugabwehrsysteme, welche zunächst eliminiert werden müssten. Eine für eine rechtlich belastbare Errichtung einer Flugverbotszone notwendige UNO-Sicherheitsratsresolution ist angesichts des sicheren Vetos von Seiten Russlands und Chinas nicht zu erwarten. Aus den genannten Gründen lehnt die Nato die Errichtung einer Flugverbotszone seit Beginn der aktuellen Kriegsphase strikt ab.
Unglücklicherweise scheint vor diesem Hintergrund ein baldiger Frieden alles andere als erreichbar oder auch nur absehbar zu sein.