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Natürlich kann man den sich zusehends aufschaukelnden Transitkonflikt auf der Nord-Süd-Route über den Brenner kleinschreiben. Dann wird diese doch sehr grundsätzliche Auseinandersetzung auf ein Geplänkel zwischen zwei eng verwandten aber keineswegs immer eng befreundeten Nachbarn, Tirol und Bayern, reduziert.
Wer den Transitstreit auf dieser Ebene abhandeln will, der mokiert sich weiter am "Kleinstaaterei"-Vorwurf des bayrischen Ministerpräsidenten. Und erinnert genüsslich an die unendlichen Kleinstaatereien, die zum genetischen Selbstverständnis der bayrischen Staatspartei, der CSU, gehören; um am Ende auf die lautstarken Proteste der Bayern gegen die Blockabfertigung von Lkw und die angekündigten Fahrverbote für Stau-Ausweichler auf den Tiroler Landstraßen zu kommen, die nun in einer Klage vor dem EuGH gipfeln soll.
Und so gesehen war es ja nur eine unwesentlich größere Kleinstaaterei, dass die CSU unbedingt eine Pkw-Maut von Ausländern in ganz Deutschland haben wollte, wenn nicht der Gerichtshof in Luxemburg eingeschritten wäre.
Getreu dieser Erzählung revanchiert sich nun das große Bayern am kleinen Tirol für die Schmach, die das kleine Österreich dem großen Deutschland im Streit um die Ausländer-Maut vor dem EuGH zugefügt hat.
Manchmal funktioniert Politik allerdings doch nicht wie Fußball mit seinen simplen Kategorien von Sieg, Niederlage, Remis und Revanche. Mit Geld jedoch lässt sich auf beiden Spielfeldern, im Sport wie in der Politik, vieles richten und rechtfertigen.
Österreich zählt mittlerweile zu jenen EU-Staaten, die am meisten öffentliche Mittel in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investieren: Pro Kopf waren es laut einer deutschen Studie vergangenes Jahr 218 Euro; in Deutschland waren es nur 77 Euro. Nur die transittechnisch ähnlich belastete Schweiz gibt mit 365 Euro noch mehr als Österreich für den Ausbau der Schiene aus; Straßen erhalten in beiden Alpenländern weniger Mittel, in Deutschland ist es umgekehrt, zudem hinkt das Land beim Ausbau der Zufahrtstrecken für den Brenner-Basistunnel deutlich hinterher, der 2026 in Betreib gehen soll.
Dieser finanzielle Einsatz gibt Österreich das politische Recht, von den Quellstaaten des Transitverkehrs einen zumindest adäquaten Einsatz zu fordern. Notfalls eben auch mit bewusstseinsfördernden Akutmaßnahmen wie Blockabfertigungen und Straßensperren. Unter den Voraussetzungen, dass diese mit dem EU-Recht konform gehen. Der Binnenmarkt bedeutet nun einmal keinen Freifahrtschein. Und falls er doch als solcher interpretiert werden sollte, hat Europa ein viel größeres Problem als einige gesperrte Landesstraßen im Tiroler Inn- und Wipptal.