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Kein Gegenwind für Tsipras

Von Michael Schmölzer

Politik

Kanzler Faymann bläst mit Tsipras zur EU-weiten Jagd auf Steuerflüchtlinge.


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Wien. Zunächst erwies sich das Schneechaos in Wien als Hindernis. Alexis Tsipras traf eine geschlagene dreiviertel Stunde zu spät mit Kanzler Werner Faymann zusammen, weil die Maschine des neuen griechischen Premiers in Schwechat nicht landen konnte. Schließlich war es so weit, Faymann und Tsipras schüttelten einander im Blitzlichtgewitter die Hände. Die Aufmerksamkeit zahlloser Medienvertreter war den beiden sicher, ein Anknüpfungspunkt für Smalltalk schnell gefunden: "Do you like skiing?", so Faymann zu seinem Gast aus dem Süden. Die Antwort verschwand mit beiden Politikern hinter den massiven Türen eines Besprechungszimmers. Unten auf dem Ballhausplatz froren rund 80 Tsipras-Sympathisanten mit roten und mit griechischen Fahnen im eisigen Schneesturm.

Eine gute Stunde später traten beide Politiker erneut vor die Presse, der Gast in sichtbar gelöster Stimmung, Faymann mit einem freundlichen Lächeln. Griechenland werde auf alle Fälle in der Eurozone gebraucht, so der Kanzler, das müsse sichergestellt werden. Die Eurozone sei immerhin die Basis des europäischen Friedensprojektes. Die Verpflichtungen der Griechen wären zwar einzuhalten, gleichzeitig seien aber "neue Kraftanstrengungen" nötig , neue Wege zu finden. Und das, stellte der Kanzler fest, "ist derzeit nicht der Fall". Faymann hatte zuletzt Kritik an der deutschen Kanzlerin Angela Merkel geübt, die den Griechen nicht entgegenkommen will.

Mit Schwung gegen Steuerbetrug

Europa habe zuletzt massive Kraftanstrengungen unternommen, um die Banken zu retten, so Faymann. Jetzt müsse "mit dem selben Schwung" gegen Steuerbetrug vorgegangen werden. Wichtig sei eine Verbesserung des Datenaustauschs, um wirkungsvoller arbeiten zu können. "Kampf gegen Steuerbetrug ist eine Form der Anständigkeit", stellte der Kanzler fest. Hier müsse man in Europa gemeinsam zu Felde ziehen. Er räumte ein, dass mehr Transparenz "schon eine gewisse Überwindung für einzelne europäische Länder" sei - eine Anspielung auf die Steueroasen Luxemburg und Schweiz.

Nach dem massiven Gegenwind, den Tsipras derzeit in Berlin, in der EZB und bei den Verhandlungen mit Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zu spüren bekommt, waren Faymanns Worte eine offensichtliche Wohltat. Er habe den Eindruck, dass er "einen guten Freund gefunden" habe, so Tsipras. Steuerbetrug sei in der Tat nicht nur ein griechisches, sondern ein europäisches Problem, es gelte hier eine "gemeinsame Schlacht" zu fechten, wählte auch der Grieche martialische Worte.

Seine Regierung werde für den Verbleib im Euro "hart arbeiten", versprach Tsipras, der zahlreiche Reformen durchziehen will. Insbesondere werde man die Oligarchen in Griechenland in die Pflicht nehmen. Ein ehemaliger Staatsanwalt werde eigens berufen, um die Suche nach Schwarzgeld zu leiten. Was die Reformen in Griechenland angehe, so habe man einen Vierjahresplan ausgearbeitet, so Tsipras. Es gehe darum, das Problem mithilfe wirtschaftliche Entwicklung in den Griff zu bekommen. Es sei aber wichtig, dass Athen von der EU Überbrückungshilfen bis zum 1.Juli bekomme.

Gemeinsame Standpunkte gäbe es nicht nur in der Schuldenfrage, so Tsipras, sondern auch bei der Beurteilung der Ukraine-Krise. Griechenland wie Österreich würden neuen Sanktionen gegen Russland skeptisch gegenüberstehen.

Innerhalb der ÖVP macht sich unterdessen Unmut über die Position Faymanns breit. In einem von den ÖVP-EU-Abgeordneten Othmar Karas und Elisabeth Köstinger gezeichneten Europanewsletter wurde der SPÖ-Kurs als "unverantwortlich" und "unappetitlich" gegeißelt. VP-Generalsekretär Gernot Blümel meinte, "Faymanns Suche nach internationaler Anerkennung" werde "immer peinlicher" und ein "Risiko für die heimischen Steuerzahler".

Auf geschlossene Ablehnung stößt Tsipras mit seinen Reformvorschlägen innerhalb der ÖVP freilich nicht. Hinsichtlich einer weiteren Streckung der Kreditlaufzeiten zeigt sich zumindest VP-Klubchef Reinhold Lopatka gesprächsbereit.

Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos ließ die Kritik aus der ÖVP jedenfalls nicht unwidersprochen auf der SPÖ sitzen: "Beharrliches Schweigen zu ÖVP-Parteifreund (Ungarns Premier Viktor, Anm.) Orbán und dessen autoritärer und demokratiefeindlicher Politik, helle Aufregung bei Tsipras, der für mehr Gerechtigkeit und Demokratie kämpft", erkennt Darabos Widersprüche in der Haltung der konservativen Partei.

Hinter Darabos scharten sich die SPÖ-EU-Abgeordneten: SPÖ-EU-Delegationsleiter Jörg Leichtfried meinte, "mit einem reflexartigen ,Nein‘ und einer Verweigerung zum Dialog" käme man nicht weiter, vielmehr müsse man der neuen griechischen Regierung "ein Stück entgegenkommen". Er warnt vor einer "ideologisch motivierten Hysterie". Fraktionskollege Eugen Freund meinte: "Im Unterschied zur ÖVP, die Griechenland offensichtlich in den Bankrott schicken will, sollte es dem Land ermöglicht werden, kräftig zu investieren und damit für Wachstum und Beschäftigung zu sorgen."

Im Schuldenstreit verhärten sich die Fronten

Unterdessen verschärft sich der Schuldenstreit auch auf europäischer Ebene. Athen hat am Montag begonnen, "rote Linien" in den Verhandlungen mit der EU zu ziehen. So sei man nicht bereit, auf die Forderung nach einer Umschuldung zu verzichten. Außerdem werde man bei den kommenden Gesprächen in Brüssel (siehe unten) darauf drängen, dass die Sparauflagen gelockert werden. Darüber hinaus sollen die Europäische Zentralbank und nationale Notenbanken 1,9 Milliarden Euro an Gewinnen überweisen, die sie mit griechischen Staatsanleihen erzielt haben. Griechenland will zudem acht Milliarden Euro mit der Ausgabe von Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit für die Staatskassen erlösen.

Aus Berlin kommt dazu ein klares "Njet". Finanzminister Wolfgang Schäuble ist ohne Einsparungen nicht zur Hilfe bereit. "Ich habe nicht verstanden, wie die griechische Regierung das stemmen will", rätselt der Deutsche. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist aus griechischer Sicht auch kein Hoffnungsschimmer. Er sieht keine Chancen auf eine rasche Einigung. In der Tat: Denn das Problem Griechenland könnte schnell zu einem handfesten Streit innerhalb der EU führen.