An sich ist es ja ein gutes Zeichen, wenn sich Österreichs Regierung beim Thema Integration zu einem "Nationalen Aktionsplan" durchringt. Dass sich Österreich in der Präambel zu einer "geregelten Zuwanderung" bekennt, klingt ja fast schon, als würde endlich die Tatsache anerkannt, dass Österreich nun einmal ein Einwanderungsland ist. Und dass eine "integrierte Gesellschaft" durch "soziale Durchlässigkeit und Offenheit geprägt" ist, klingt auch gut.
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Bei genauerem Hinsehen reproduziert der Aktionsplan allerdings vor allem Allgemeinplätze. Integration wird immer wieder als Leistung der Migranten und nur selten als gesamtgesellschaftlicher Prozess begriffen. Diese Leistung soll durch gesetzliche Maßnahmen eingefordert werden. Dafür Geld in die Hand zu nehmen, ist allerdings nicht vorgesehen.
Nehmen wir als Beispiel das Kapitel Sprache und Bildung heraus. Obwohl mittlerweile durch unzählige Studien belegt ist, dass die gute Beherrschung der Muttersprache die wichtigste Voraussetzung für den Erwerb der Zweitsprache (Deutsch) darstellt, wird erneut ausschließlich mehr vom Immergleichen versprochen: Deutschkurse, Deutschkurse, Deutschkurse. Niemand scheint sich die Mühe gemacht zu haben, sich die spezifische sprachliche Situation von Migrantengruppen genauer anzusehen, die sich mit dem österreichischen Bildungssystem und dem Erwerb der deutschen Sprache besonders schwer tun.
Dabei liegt spätestens mit der Studie von Katharina Brizic ("Das geheime Leben der Sprachen") seit 2007 eine ausgezeichnete Arbeit zu genau diesem Thema vor, die sich speziell mit dem Thema des Spracherwerbs von Minderheitengruppen (wie Kurden und anderen Minderheiten aus der Türkei oder Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien) beschäftigt.
Wenn sich die Sprachwissenschaft schon einig ist, dass die gute Beherrschung der Muttersprache Basis für den Erwerb der Zweitsprache darstellt, dann muss auch der muttersprachliche Unterricht zentrales Thema für den Erwerb der Zweitsprache werden. Genau dieser findet sich im "Nationalen Aktionsplan" jedoch nicht ein einziges Mal erwähnt. Status und Ausbildung der Lehrer des Mutterspracheunterrichts sind an österreichischen Schulen meist nicht vorhanden. Meist werden nur die Staatssprachen der Herkunftsländer vermittelt, die die Minderheiten erneut ausschließen. Und diese bilden unter Migranten eine überproportional große Gruppe. Anstatt besonders in die Vermittlung und Erarbeitung von Curricula von Minderheitensprachen zu investieren, werden die meisten völlig ignoriert. Romanes wird nur in Wien, Kurmanji (Kurdisch) und Zaza - trotz ihrer hohen Sprecherzahl unter Migranten aus der Türkei - gar nicht angeboten. Die Sprachen vieler Migranten werden damit einmal mehr ignoriert. Ohne sprachliche Basis werden allerdings auch noch mehr Deutschkurse nur mäßig erfolgreich sein.
Thomas Schmidinger ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.