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Kein Glück mit Glücksspiel

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

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"Wir alle haben ein Sittenbild gesehen, das Grenzen zutiefst verletzt, ein Bild der Respektlosigkeit, des Vertrauensbruchs - ja der politischen Verwahrlosung", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos im Mai.

Dieses Bild der politischen Verwahrlosung hat nun eine neue Facette bekommen: Hausdurchsuchungen beim früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, beim ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Johann Gudenus, beim FPÖ-Bezirksrat und Casinos-Vorstandsdirektor Peter Sidlo sowie bei einem Manager des Glücksspielkonzerns Novomatic wegen Bestechlichkeits- beziehungsweise Bestechungsverdachts. Alle Seiten weisen den Verdacht zurück. Eine rechtliche Einordnung des Falls ist naturgemäß komplex und obliegt der Justiz.

Eine politische Beurteilung ist da schon viel einfacher: Strache hat im Ibiza-Video einen Politikerdarsteller mit Korruptionshintergrund und ohne moralischen Kompass gegeben. Das besonders Unangenehme für Strache und die Freiheitlichen in der Glücksspiel-Causa ist, dass in dem in wenigen Tagen erscheinenden Buch "Die Ibiza-Affäre" der beiden "Süddeutsche Zeitung"-Aufdecker Frederik Obermaier und Bastian Obermayer auch aus einem Gesprächsteil zitiert wird, der sich um das Glücksspiel in Österreich dreht. Dieses Buch wird für die Ermittler der Korruptionsstaatsanwaltschaft ein weiterer Ansporn sein, dahinterzukommen, ob oder wie weit die FPÖ unter Strache finanziellen Nutzen aus dem Versprechen, bestimmten Glücksspielkonzernen ein angenehmes regulatorisches Umfeld zu schaffen, ziehen konnte. Denn Strache hat auf Ibiza der vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte auch ein Fallen des Glücksspielmonopols und Privatisierungen in Aussicht gestellt.
Im Rahmen dieses Gesprächs ist auch der Begriff "Kick-backs" - also versteckte Provisionen - gefallen.

Die Causa ruft auch einmal mehr die unglaubliche Tatsache in Erinnerung, dass Strache bis heute nicht aus der FPÖ ausgeschlossen ist, sondern seine Ehefrau auf Platz drei der Wiener Landesliste für die Nationalratswahl hieven konnte. Die FPÖ ist in Sachen politischer Moral völlig schmerzbefreit.

Die Causa Glücksspiel wird wohl auch dem ÖVP-Obmann Sebastian Kurz kein Glück bringen: Er wird sich die Frage gefallen lassen müssen, warum die ÖVP sich der FPÖ nicht entschieden in den Weg gestellt hat. Oder hat die ÖVP - Stichwort: Schredder-Affäre - gar selbst etwas zu verbergen?

"So ist Österreich nicht. Das müssen wir alle gemeinsam beweisen", betonte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach der Ibiza-Affäre. Jetzt ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft am Zug. Und am 29. September sind es dann die Wählerinnen und Wähler.