Beim Forum Alpbach wurde die Gesundheitsakte Elga diskutiert. Von Verunsicherung und Datenschutz.
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Alpbach. Als am Dienstag die elektronische Patientenakte Elga Thema beim Europäischen Forum Alpbach wurde, schlug die Diskussion binnen weniger Minuten in einen Hagelregen aus Kritik auf die Ärztekammer um. Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger hatte in seinem Eingangsstatement zwar von positiven Erwartungen gesprochen, aber wenige Minuten später Studien präsentiert, die davon ausgehen, dass es zigtausende technische Fehler geben würde, die teils zu Patientenschäden führen würden. Damit müsse man sich eingehend beschäftigen. Michael Binder, Vorsitzender des Wiener Krankenanstaltenverbunds, meinte indes, die Einführung von Elga über die vergangenen acht Monate habe in Wien sehr gut funktioniert, es seien derzeit etwa 1,2 Millionen Einzelbefunde in das System eingespeist worden.
Die Lobrede wurde durch Susanne Herbek, Geschäftsführerin der Elga GmbH, fortgeführt und wenig später durch eine große Menge an Publikumsmeldungen jäh gestoppt. Die in der ersten Reihe sitzende Patientenanwältin Sigrid Pilz etwa kritisierte den Ärztekammerpräsidenten scharf für von ihm vorangetriebene Verunsicherung der Patienten. Die Kammer hätte wider besseres Wissen in den Ordinationen getrommelt, dass tausende unberechtigte Personen Zugriff auf die Krankenakten hätten, und so für gigantisches Misstrauen gesorgt. Sie fügte hinzu, dass die Ärztekammer mit zweierlei Maß messe, denn in Österreich gäbe es nach wie vor eine Selbstevaluation bei den Ordinationen und niemand überprüfe, wie dort die Fehleranalyse funktioniere, wie mit Beinahefällen oder wirklichen Schadensfällen umgegangen würde. Hinzu komme, dass viele Patienten Fragen dazu hätten, wie mit ihren Daten umgegangen würde, die vor Einführung von Elga gesammelt worden sind, und selbst sie als Patientenanwältin müsse darauf sagen, dass sie keine Ahnung habe, denn man dürfe und könne das von ihrer Seite nicht überprüfen. Dies sei ein Manko, um das sich die Ärztekammer zu kümmern habe, so Pilz.
Vertrauen schaffen
Kaum hatte sich Wechselberger verteidigt, dass man sich das sehr wohl ansehe, hatte er schon mit den nächsten Vorwürfen zu kämpfen. Wolfgang Gerold von der österreichischen Apothekerkammer warf dem Ärztekammerchef vor, von vornherein den Prozess blockiert und sabotiert zu haben. Eine aus der Perspektive der Patientin sprechende Frau aus dem Publikum sagte, als Brustkrebspatientin hätte sie nicht unbedingt etwas dagegen, wenn durch die elektronische Patientenakte vermieden werden könne, bei jedem neuen Arzt seine gesamte Krankengeschichte von vorne erzählen zu müssen. Sie warf schließlich ein, dass die Verunsicherung der Patienten nicht so sehr von der technischen Neuerung komme, sondern vom Verhalten der Ärzte.
Die Vizerektorin für Forschung und Innovation an der Medizinuni Wien Michaela Fritz, die offenbar geladen war, um von den Vorteilen einer solchen Datensammlung zu berichten, brachte die Debatte schließlich auf den Punkt. Es sei auch schon vor Elga datenbasiert gearbeitet worden. Wichtig sei, dass man an der Umsetzung der EU-Datenschutzverordnung gemeinsam arbeite und sich dabei vor allem darauf konzentriere, dass die wissenschaftliche Integrität eingehalten werde.
Fritz forderte alle Stakeholder der Elga-Debatte dazu auf, aktiv an vertrauensbildenden Maßnahmen zu arbeiten. Insgesamt zeigte die Diskussion, dass das Misstrauen gegenüber dem technischen Aspekt von Elga zu sinken scheint, Verunsicherung gegenüber anderen Teilaspekten des neuen Systems, wie etwa der Umgang der Ärzte mit den Daten, aber eher noch nicht ausgeräumt sind.
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