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Kein Grund für eine längere Hochschulschließung

Von Max Haller

Gastkommentare
Max Haller ist emeritierter Professor für Soziologie der Universität Graz und Vizepräsident der Kommission für Migration und Integration der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
© privat

Die Universitäten sollten noch vor Ende des Sommersemesters geöffnet werden.


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Mit Blick auf die Corona-Maßnahmen für die Universitäten könnte man glauben, hier seien die Gefährdeten durch das Virus konzentriert. Im Unterschied zu Unternehmen, Geschäften und Schulen bleiben die Universitäten für das ganze Sommersemester geschlossen. Auch den Bediensteten werden sehr starke Restriktionen auferlegt.

Woher kommt das? Zwei Gründe könnte man anführen: Erstens sollen Studierende aus allen Herren Länder ferngehalten werden, die das Virus neu einschleppen könnten. Zweitens ist in überfüllten Hörsälen ein Distanzhalten unmöglich. Beide Gründe sind nicht stichhaltig. Ausländische Studierende, die in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind, können schon wegen der entfallenen Flüge und Grenzschließungen in diesem Semester gar nicht mehr kommen; und man könnte ja von ihnen Gesundheitszeugnisse verlangen. Überfüllte Hörsäle gibt es fast nur zu Semesterbeginn. In den meisten Vorlesungen schrumpfen die Hörerzahlen bis zum Semesterende stark.

Inzwischen ist auch klar, dass die meisten Covid-Toten hochbetagt waren oder an ernsten Basiserkrankungen litten. Der Grazer Public-Health-Experte Martin Sprenger argumentiert, schon Ende März sei klar gewesen, dass das wichtigste Ziel des Shutdowns - keine Überlastung von Krankenhäusern und Intensivstationen - erreicht war, sodass die Deeskalation hätte beginnen müssen ("Addendum", April 2020). Derzeit liegt das Infektionsrisiko in 96 Prozent der politischen Bezirke Österreichs auf einem sehr niedrigen Niveau. Sprenger vergleicht die Politik der Regierung mit einem Lawinenwarndienst, der aufgrund eines hohen Risikos in einem Bezirk das Tourengehen in ganz Österreich verbietet.

Vielleicht war ein Grund für die lange Schließung der Universitäten ja auch die Annahme, Hochschullehrer und Studierende wären EDV-mäßig auf dem neuesten Stand der Technik. Ich unterrichte in diesem Semester selbst an der Universität Graz. Zum Glück fand die erste Sitzung mit 24 Hörern Anfang März noch statt. Seither habe ich in digitaler Form eine Prüfung und via Skype drei Seminarsitzungen veranstaltet. Das funktionierte nach Anfangsproblemen einigermaßen. Es ist aber selbst im besten Fall weit weniger effizient als ein Treffen in einem Seminarraum, wo alle anwesend sind und mitdiskutieren können. Es sind auch nicht alle Lehrenden und Studierenden EDV-mäßig top ausgerüstet.

Bei einer Wiederaufnahme der Lehrveranstaltungen noch im Juni könnten die Studierenden noch mit den Lehrenden und ihren Betreuern Arbeiten für den Sommer planen und besprechen. Eine neuere Studie zeigte, dass die Corona-Krise vor allem Menschen unter 35 Jahren zu schaffen macht. Nicht wenige Studierende haben auch in normalen Zeiten psychische und soziale Probleme. Auch ihnen würde die baldige Wiederaufnahme eines regulären Studienbetriebs helfen.

Um ganz sicher zu gehen, könnten nur jene Lehrveranstaltungen stattfinden, für die es genügend große Räume gibt. Voraussetzung wäre allerdings, dass das Ministerium den Universitätsleitungen und diese wiederum den Institutsvorständen und den Lehrenden vernünftiges und verantwortungsvolles Handeln zutrauten.