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Kein Grund, in Euphorie zu verfallen

Von Konstanze Walther

Analysen

Deutschland und Frankreich wachsen wieder; die US-Notenbank Fed sieht die USA vor der Wende. Die Situation ist trotz anhaltender Krise "viel besser, als wir es im Frühjahr erwartet haben", erklärt auch der Sprecher der EU-Kommission, Ton van Lierop zu den am Donnerstag vorgelegten Zahlen von Eurostat: Das durchschnittliche Bruttoinlandsprodukt der 27 EU-Staaten ist heuer im zweiten Quartal um "nur" 4,8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2008 zurückgegangen. Die Börsen reagierten positiv. Zeit, den Sekt zu entkorken?


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"Es gibt keinen Grund zur Euphorie", warnt allerdings der Ökonom Marcus Scheiblecker vom Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Seine deutschen Kollegen sehen es ähnlich. Dieses Wachstum ist nur Ausfluss der milliardenschweren Anstrengung der Staaten, die durch die verschiedensten Maßnahmen die Konsumnachfrage angekurbelt haben.

Angesichts der umfangreichen Konjunkturpakete - die eine Erhöhung der Budgetdefizite gleich um mehrere Prozentpunkte brachten - sei der Aufschwung "gar nicht so groß, wie er sein könnte", meint Scheiblecker. Die Auftragseingänge, die jetzt steigen, bewegen sich von sehr tiefem Niveau aus - die Produktion kam vor der Stimulierung praktisch zum Erliegen.

Wie lang sich die Staaten die Stützung der Wirtschaft leisten können, ist eine andere Frage. Die Abwrackprämie, die dem deutschen Automarkt Rekordzuwachsraten brachte, könnte als Strohfeuer enden: Nächstes Jahr kauft dann keiner mehr einen Neuwagen, befürchten Branchenkenner.

Pessimisten sehen überhaupt den Wahlkampf in Deutschland als einen der größten Motoren für die Konjunktur im Nachbarland; jetzt muss auch bei Opel der Karren aus dem Dreck gezogen werden - koste es, was es wolle. Am 27. September wird gewählt - und spätestens im Winter wird dann die Budgetsanierung das Thema Nummer eins sein.

Gustav Horn, Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf, geht davon aus, dass Deutschland auch 2010 in der Rezession bleiben wird. Den Aufschwung sieht er erst 2011 - aber nur mit einem weiteren, dritten Konjunkturpaket.

Auch die große Entlassungswelle in Deutschland, genauso wie in Österreich, steht erst bevor - noch schönt die Kurzarbeit das Bild, sie kann aber nicht ewig durchgehalten werden. Und bei hoher Arbeitslosigkeit bricht auch der Konsum wieder weg, der sich eben erst als Dünger der noch zarten Hoffnungsknospen etabliert hat.

Der Aufschwung ist jedenfalls noch nicht selbsttragend - und ein Ende der Krise damit nicht absehbar: Alle Finanzkrisen haben bisher drei Jahre gedauert, genauso wie alle globalen Wirtschaftskrisen. Und erstmals haken beide Krisen ineinander...