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Das ewige Mantra, wonach man Politik nicht mit Sport mischen sollte, kann man angesichts des bevorstehenden Sportjahres getrost ad acta legen - und das ist gar nicht schlecht so. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel, und die lauten aktuell: Nordkorea will eine Delegation zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang schicken. Damit wäre, so die Hoffnung im Süden (und im Rest der Welt), die ärgste Gefahr eines militärischen Manövers seitens des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un gebannt.
Überraschend hat dieser in seiner Neujahrsansprache, bei der er seinen Gegnern gedroht hatte ("Der Atomwaffenknopf ist immer in meiner Nähe"), Gesprächsbereitschaft hinsichtlich Olympia signalisiert. In Südkorea reagierte man erfreut, schon am 9. Jänner - genau einen Monat vor der geplanten Eröffnung - könnte ein Treffen stattfinden. Dieses wäre, wenngleich Kim Jong-un durchaus eigene Ziele verfolgen dürfte, ein Meilenstein, der alleine durch die Politik nicht gesetzt werden konnte. Auf Regierungsebene herrscht seit mehr als zwei Jahren Funkstille; Kims Raketen- und Atomwaffentests sind hier ebenso wenig hilfreich wie die Brachialrhetorik des US-Präsidenten Donald Trump. Doch hat der Sport tatsächlich die Kraft, auf verbrannter Erde Brücken zu bauen und damit den ureigensten Sinn der olympischen Bewegung, die zuletzt arg an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, doch zu erfüllen? Die meisten Athleten, die durch ihre Tätigkeit wie selbstverständlich in Kontakt mit Wettkämpfern anderer Nationalitäten, Kulturen und Religionen treten, würden die Frage wohl mit Ja beantworten. Auf höherer Ebene sieht die Sache freilich anders aus. Wie oft hat man nicht schon gehofft, durch Sportereignisse würde sich die Großwetterlage in der entsprechenden Region entspannen? Die Beispiele, wie diese Wünsche unerfüllt blieben, sind zahlreich wie mannigfaltig: In Brasilien hat sich die soziale Lage seit den Sommerspielen 2016 eher ver- denn entschärft, in Russland hat sich nach den Winterspielen 2014 nichts an der Menschenrechtslage geändert - und auch die Fußball-WM, die dort im Sommer den nächsten sportlichen Höhepunkt liefert, gibt diesbezüglich wenig Anlass zur Hoffnung.
Keine Frage: Mit den nun folgenden Gesprächen zwischen den verfeindeten Koreas ist die Chance auf ein friedliches Sportfest größer geworden. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Der Atomwaffenknopf ist immer noch in Reichweite.