Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es muffelt zu oft und menschelt zu selten in der Politik. Deshalb mag es eine sympathische Idee gewesen sein, als der Brüssel-Korrespondent des ZDF der deutschen Kanzlerin zum 60. Geburtstag ein Ständchen sang. Nicht irgendwo, sondern mitten in der Pressekonferenz zum Abschluss des EU-Gipfels, also quasi live auf allen Kanälen. Man sieht den übrigen Journalisten wie auch Angela Merkel auf den Bildern an, dass sie die Einlage als unpassend empfinden, als peinliche Grenzüberschreitung.
Journalisten klatschen nicht, wenn Politiker reden, und singen nicht, wenn diese Geburtstag haben. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. So lautet eine ungeschriebene Branchenregel. Dass sie es mitunter dennoch tun, ist menschlich, aber nicht professionell. Journalisten und Politiker verbindet nicht nur ein gemeinsamer Arbeitsbereich, sondern es verbinden sie auch überschneidende Freundeskreise und Interessen, manchmal sogar eine gemeinsame Vergangenheit, etwa an der Universität. Und je kleiner das Land, desto enger die wechselseitigen Verflechtungen, weshalb dieses Thema in Österreich ungleich drängender wirkt, als beispielsweise in Deutschland, wo das deplatzierte Ständchen für die Kanzlerin jetzt wieder zum Anlass genommen wird, damit sich die Medien ihres Standorts gegenüber der Politik versichern. Dieser müsse eindeutig auf der anderen, der den Parteien und Politikern gegenüberliegenden Seite liegen, so lautet die allgemeine Forderung.
Der Eindruck unziemlicher Nähe von Journalisten und Politikern hat verheerende Folgen. Die Aktion des Korrespondenten vom öffentlichen ZDF ist dabei nicht das Problem, hier ist nur eine wahrscheinlich nett gemeinte Geste nach hinten losgegangen. Zudem entzieht sich Angela Merkel wie kaum ein anderer Politiker der oft zudringlichen Nähe der Medien. Zumindest gibt es bisher keinen Eindruck von Verhaberung und spezieller Beziehungspflege zu ausgewählten Verlagen oder Journalisten. Auch damit bildet Merkel eine rare Ausnahme, nicht nur im Vergleich zu heimischen Politikern, sondern auch in Europa.
Politiker müssen es als eine besondere Ironie des Schicksals empfinden, dass sie ausgerechnet von jenen kritisiert, belehrt und mitunter verleumdet werden, deren Ansehenswerte ähnlich tief im Keller sind wie die eigenen. Das sollte eigentlich für beide Seiten Ansporn genug sein, für ausreichend Abstand zueinander zu halten.