Zum Hauptinhalt springen

Kein Land für demagogische Zerstörer

Von David Ignatius

Kommentare
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Selbsternannte Retter wie Donald Trump gab es immer wieder - die Politik der USA kehrte aber stets zur Mitte zurück.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Niemand weiß, wo Donald Trump in dieser bizarren Präsidentschaftskampagne der Republikaner in sechs Monaten stehen wird. Mit ziemlicher Sicherheit kann man aber sagen, wie seine jüngsten antimuslimischen Hetzreden in zehn oder zwanzig Jahren wirken werden - vorausgesetzt, Trump schreibt nicht die Verfassung um. Die Politik der USA kehrt, wie fast alles, immer wieder zur Mitte zurück. Selbsternannte Retter hat es zu allen Zeiten gegeben. Manchmal haben sie Erfolg, meist nicht. Das System hat sich immer wieder auf die Grundwerte der Toleranz, der Freiheit und der Demokratie eingependelt. Das ist einer der Gründe, warum unser brillantester Wirtschaftstycoon Warren Buffett gern sagt, dass Investoren auch bei der schwersten Wirtschaftskrise immer richtig liegen, wenn sie auf die Fähigkeit des US-Systems setzen, sich zu erholen.

Dieser innere Antrieb der Kreativität und Selbstkorrektur könnte nun nach 226 Jahren zerstört werden. Das glaube ich aber nicht. Trumps antimuslimische Rhetorik wird ein Schandfleck in der Geschichte der USA sein. Das macht ihm offensichtlich nichts aus. Aber das Urteil der Nachwelt sollte für andere Republikaner Bedeutung haben. Die Historiker werden einen strengen Blick auf jene werfen, die - aus Gründen der Feigheit oder des Opportunismus - geschwiegen haben, als durch Trumps Tiraden die konstitutionellen Werte und die Sicherheit der USA gefährdet wurden, von der politischen Zukunft der Republikanischen Partei ganz zu schweigen. Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, bot die einfachste und geradlinigste Widerlegung: "Das ist kein Konservatismus. Das ist nicht das, wofür diese Partei steht. Und, noch wichtiger, das ist nicht das, wofür dieses Land steht."

Menschen werden sich noch in Jahrzehnten das Ryan-Video ansehen, wenn sie verstehen wollen, wann die USA begonnen haben, ihre Balance wiederzufinden. In den nächsten Wochen wird über den Ruf der Politiker für die Nachwelt entschieden.

Trump ist der Typ des impulsiven, autokratischen politischen Führers, vor dem die Verfassung und die Bill of Rights schützen sollen. Die Verfasser hassten die Tyrannei König Georges, aber sie hatten auch Angst vor dem Pöbel. Darum haben sie so viele Kontroll- und Ausgleichsmöglichkeiten in das System verpackt, um vor Exzessen einer Regierung zu schützen, die sich von öffentlicher Erregung mitreißen lässt oder von den Launen eines Diktators pervertieren.

Die USA werden die Führung bekommen, die sie verdienen. Und das könnte auch Trump sein, wenn er weiter beliebt ist. Ein geschickter Politiker kann den Zorn und den Nationalstolz einer zerrütteten Bevölkerung galvanisieren, wie Napoleon nach der Französischen Revolution und Adolf Hitler und Benito Mussolini. Sieht man sich an, wie die Anhänger Trumps ihrer Angst und ihrem Zorn Luft machen, kann man nicht ausschließen, dass dergleichen auch in den USA passiert. Die Stimmung im Lager Trump ist so gefährlich wie seine Rhetorik. Aber die Geschichte lehrt uns, dass der demagogische Zerstörer hier wahrscheinlich nicht erfolgreich sein wird - und falls doch, zumindest nicht lang.

Übersetzung: Hilde Weiss