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Kein Lob für die Steiermark

Von Clemens Neuhold

Politik

Städtebund und Gemeindebund ziehen vor der Wahl eine nüchterne Zwischenbilanz über die Gemeindefusionen.


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Wien. In der Steiermark tritt das rot-schwarze Tandem noch einmal fest in die Pedale, um am Wahlsonntag über den Berg einer gemeinsamen Mehrheit zu kommen.

Hauptargument von Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und Hermann Schützenhöfer (ÖVP) für die eigene Wiederwahl: Lasst uns die Reformen, die wir begonnen haben, vollenden und bleiben wir Vorbild für ganz Österreich. Die viel beworbene steirische "Reformpartnerschaft" hat jede natürliche Streitlinie zwischen ÖVP und SPÖ durchtrennt. Eines ihrer Kernstücke: die Zusammenlegung von über 500 auf unter 300 Gemeinden.

Fusionswelle warüberfällig

Szenenwechsel ins Wiener Rathaus: Im Sitzungssaal des Städtebundes gibt das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) einen Ausblick auf die Finanzen von Städten und Gemeinden. Fazit: Es wird wieder enger für die Gemeinden, weil die Länder zu viel Geld von den Kommunen abziehen und der Bund mit der Steuerreform finanziell ins Fleisch schneidet. Deswegen lautet eine Empfehlung vom KDZ-Leiter Peter Biwald und Städtebund-Chef Thomas Weninger: "Synergien durch Strukturreformen nutzen", eine sehr sperrige Umschreibung von Gemeindefusionen oder, wenn man nicht so weit geht, einer verstärkten Zusammenarbeit von Gemeinden. Also genau das, was die Steiermark gemacht hat.

Ein Lob für die Steirer kommt den beiden drei Tage vor der Wahl aber dennoch nicht über die Lippen. Weninger: "Die Steiermark hatte den höchsten Anteil an Kleinstgemeinden. Hier wurde nachvollzogen, was in anderen Bundesländern in den 1970er Jahren durchgeführt wurde." Gegen die Fusionen gab es in den betroffenen Gemeinden trotzdem viel Widerstand. Weninger führt das zum Teil auf die fehlende Einbindung der Bürger zurück. Die Vorbereitung durch den Bürgermeister sei entscheidend, zitiert er Gemeinden, in denen die Fusion reibungslos über die Bühne ging.

Als Vertretung von rund 220 Städten und Gemeinden über 5000 Einwohnern ist der im Rathaus angesiedelte Städtebund tendenziell rot. Tendenziell schwarz ist der Gemeindebund, der den Großteil der Gemeinden vertritt. Wenn der rote Voves schon keinen Rückenwind aus Wien bekommt, dann der schwarze Schützenhöfer vom "schwarzen" Gemeindebund? Fehlanzeige: "Wir haben große Zweifel, ob das finanziell etwas bringt. Wenn nicht, stellt sich die Frage, was das Motiv war?", sagt Gemeindebund-Sprecher Daniel Kosak. Er verweist auf eine Studie, wonach die Gemeindefusion in der Steiermark 70 Millionen Euro bringen könnte. Nun seien aber Prämien für die Zusammenlegung, höhere Bürgermeistergehälter und Gehälter für Ortsvorsteher dazu gekommen. Nur 15 Prozent der Gemeindeausgaben würden für Beamte draufgehen. Der Rest fließe in Kindergärten, Winterdienste, Musikschulen oder die Pflege. "Und diese Kosten reduzieren sich durch eine Zusammenlegung von Gemeinden nicht."

Der Bezirkals Gemeinde

Während der Gemeindebund das Modell "small is beautfiful" hochhält, wünscht sich der Städtebund - abseits von mühsamen und politisch heiklen Fusionen - größere Einheiten und eine stärkere Konzentration der Gemeinden. Weninger verweist auf eine in der österreichischen Verfassung verankerten Möglichkeit, sogenannte Gebietsgemeinden, die sich an den Bezirksgrenzen orientieren. In Artikel 120 des Bundes-Verfassungsgesetzes heißt es: "Die Zusammenfassung von Ortsgemeinden zu Gebietsgemeinden, deren Einrichtung nach dem Muster der Selbstverwaltung sowie die Festsetzung weiterer Grundsätze für die Organisation der staatlichen Verwaltung in den Ländern ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung obliegt der Landesgesetzgebung. Die Regelung der Zuständigkeit in Angelegenheiten des Dienstrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Gebietsgemeinden ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung."

Bezirksbürgermeisterzu mächtig?

Mit Leben erfüllt wurde diese seit 1920 bestehende Möglichkeit freilich nie. Eine mögliche Erklärung: Die Landeshauptleute hatten null Interesse, neben mächtigen Stadt-Bürgermeistern Regionalbürgermeister unter sich zu haben. Wozu dann noch Länder?

In der Theorie sitzt der Bürgermeister in der Bezirkshauptstadt und vereint Aufgaben wie Flächenwidmung bis Baubehörde auf sich. Ein Bezirksrat ersetzt den Gemeinderat als politische Instanz. Die Gemeinden selbst bleiben bestehen samt Ortsbürgermeister. Er oder sie übt aber hauptsächlich repräsentative Funktionen aus und steht statt eines Gemeinderates bloß noch einem Ortsbeirat vor.

Das Modell der Gebietsgemeinde ist stark an Dänemark angelehnt. Dort gibt es nur noch 110 Gemeinden, bei ähnlicher Größe des Landes wie Österreich.

In Niedersachsen gibt es sogenannte "Samtgemeinden". Das sind Gemeindeverbände, die gewisse Aufgaben für die Gemeinden erledigen. Darunter fallen Flächenwidmungen, die Feuerwehr, die Grundschule, Friedhöfe, das Abwasser, der Straßenbau oder Sportstätten. Die Gemeinden blieben bestehen, aber politisch stark verschlankt.

"Davon halten wir nicht besonders viel, weil die Qualität für die Bürger sinkt. Die Wege werden weiter, egal ob in die Schule oder zur nächsten Behörde", sagt Kosak.

So dürfte alles beim Alten bleiben und die Fusionswelle eher tröpfeln. Die Übermacht der Länder wird dann allerdings auch weiter dazu führen, dass die Gemeinden über den Finanzausgleich immer mehr Steuermittel, die sie vom Bund bekommen, an die Länder abführen müssen. Mittlerweile sind es 2,3 Milliarden Euro.